Das Leben macht Spaß, auch in D
12. Oktober 2016
Nach dem Abarbeiten meines Postberges usw. freue ich mich über viele emails von drüben und über die Begegnungen mit den Freunden hier. Da ich nun mein Automatikauto langsam beherrsche, besuchte ich heute Opa Franz. Der war vor Freude ganz aus dem Häuschen, wirkte sehr lebendig und lachte schallend als ich die große Flagge auspackte. Er hatte erst gestern einen Freund in Toronto angerufen und ein neue bestellt. Der wurde dann sofort morgens um 7 telefonisch geweckt, weil er sich mit freuen sollte und sich die Mühe sparen könne. Doch Opa Franz ging noch weiter. Als ihm etwas nicht gleich gelang, rief er:"Jetzt brauche ich eine Frau!" Es bleibt spannend, was er noch alles auf die Beine stellen wird.



Als ich nach einer Woche zum vereinbarten Besuch kam, war er nicht zu finden, weil die Sonne ihn nach draußen gelockt hatte. Durch eine nette Entschuldigung am Telefon und seine Vorfreude auf eine Tour im neuen ROTEN Auto konnte ich nicht anders als am nächsten Tag wieder vor seiner Tür zu stehen. Opa Franz war fitt, sprungbereit und beflügelt, aber auch ziemlich wählerisch. Das knallrote Auto könnte röter sein, später entschied er sich erst für die 4. Gaststätte, mit stichhaltigen Argumenten und bemängelte, dass man in der Suppe nach den wenigen Flädle angeln müsse. Die Fahrt auf die Höhe mit Bodensee- und Alpenblick genoss mein Beifahrer sehr und wollte dann unbedingt den steilen Pfad mit unsicherer Treppe zur Aussichtsplattform erklimmen. Ich war vielleicht froh als er wieder gesund im Auto saß und fuhr geduldig weiter als er 3 voll besetzte Gaststätten wegen Massenabfertigung ablehnte. In der letzten war er dafür umso lustiger und lud mich charmant ein. Über seine Witze lachten die Tischnachbarn mit, auch als er von seinen nächsten Jahren sprach.

11. Dezember 16
In den letzten Wochen hat sich die Lebenssituation von Opa Franz rasant verschlechtert. Wiederholt Stürze, Rippenbruch, Lungenentzündung, mehrere Krankenhausaufenthalte, emotionale Ausraster, Psychiatrie zur Beruhigung und Einstellung. Heute besuchte ich ihn dort, er kann nicht mehr laufen, ist total abgemagert redet immer wieder mal wirr, hatte aber seine liebe Art und will wieder rüstiger werden und seinen Wein genießen. An diesem Abend wurde er wieder in die Notfallaufnahme eingeliefert wegen akutem Sauerstoffmangel im Blut. Er wird nicht mehr in seinem Appartement alleine leben können, deshalb richtete sein Sohn im voraus ein Zimmer mit seinen liebsten Dingen im Pflegeheim ein. Im Januar ist sein 103. Geburtstag, wir können nur abwarten.
23. Dezember 16
Nach einer neuen Lungenentzündung und Notaufnahme kam der Schwerkranke zum Sterben in das neue Pflegeheim. Ich besuchte ihn gestern, furchtbar wie der Körper schon abgeschlossen hatte, aber der Herzschrittmacher jeden neuen Atemzug erzwang. Ich meine, er hat mich kurz erkannt, bemerkbar konnte er sich schon tagelang nicht mehr machen. Heute Mittag wurde Franz Müller dann erlöst. Wir waren alle dankbar, dass er sein langes und so reiches Leben fast bis zum Schluss nach seinem Freiheitsbegriff gestalten konnte und ihm ein längeres, unwürdiges Pflegedasein erspart blieb. Eines ist mir völlig klar, sein Herz war immer in Canada geblieben.
13. Februar 17
Diese Woche kam Oma Klara in ein Altenheim ganz in meiner Nähe. Die Betreuung zuhause wurde zu aufwändig. Man sieht ihr nicht gleich an, dass sie nächsten Monat 103 wird. Sie schwärmt sehr von ihrem Kater, bringt aber vieles durcheinander. Benno wurde zum Glück von einer Bekannten aufgenommen. Nun werde ich sie ab und zu besuchen, denn die Ältesten sollen sich ja nicht vergessen fühlen.

Mai 2017
Heute besuchte ich Sohn und Schwiegertochter von Opa Franz. Eigentlich wollte ich nur die große Canadafahne abholen, doch es ergab sich ein langes, herzliches Gespräch mit vielen Rückerinnerungen. Beim Abschied erfüllte sich mein Herzenswunsch. Ich bekam eine seiner wunderschönen Schnitzereien geschenkt. Eine fast kniehohe, edel präparierte Wurzel mit 2 eingearbeiteten Gesichtern. Ich hätte nie darum gebeten und freute mich umso mehr über dieses Andenken.

Juli 2017
Heute erfuhr ich, dass Oma Klara nach einem Monat im Altenheim auch verstarb. Somit ist wieder mal ein besonderes Kapitel in meinem Leben abgeschlossen, sie hatten ja beide ein wirklich gesegnetes Alter.
Zum zweiten Mal bekam ich Besuch aus Canada, eine Mitarbeiterin der Therapieeinrichtung bei Vancouver wollte ein weiteres Stück Deutschland kennen lernen. Es war nicht einfach während der kontinuierlichen Regenperiode, dennoch wurde es eine sehr gute Zeit. Den Abschluss hatten wir in Hamburg, wo ich sie dann an die nächste Freundin überreichte.