Es gibt immer noch mehr zu bewundern
12. Juni 2019
Heute bezog ich mein letztes Quartier, ein Studentenzimmer in einer Uni hoch über der Stadt mit Hafenblick. Ich hatte mich zu einer Küstenfahrt angemeldet, wir waren wieder nur 2 Teilnehmer und bekamen viele Informationen. Diese Nacht war heftiger Regen, dem fast ein Sommertag folgte. Ja, es hatte auch hier im April und Mai nur 3 regenfreie Tage. Der Flieder fängt jetzt zu blühen an, die Wiesen sind gelb wie bei uns im April, noch nicht alle Bäume haben ihre Blätter. Die Insel hat knapp 1 Million Einwohner und wirklich Tausende Seen, plus rundum den Ozean. Diese besondere Küste war vor langer Zeit von Gletschern bedeckt.





In das kleine Dörfchen mittendrin kamen vor allem deutsche Farmer vor mehr als 100 Jahren. Sie mussten lernen, dass hier kein Gras wächst, man vom Meer leben muss oder westwärts weiterziehen. Gut, dass wir früh da waren, bald kam ein Bus nach dem andern. Ein Kreuzfahrtschiff spuckte in Halifax Tausende aus, die hergekarrt wurden und den Leuchtturm stürmten. Ganz schön lästig, da war mir dann das Kirchlein lieber.



Plötzlich sprach mich eine Frau auf deutsch an. Auf meine verblüffte Frage, woher sie meine Nationalität wisse, meinte sie, das sehe man sofort an der Kleidung. Komisch, meine Sandalen sind ein amerikanisches Fabrikat, in der Windjacke steht 'Made in Bangladesch' nur die Hose kommt aus Kassel. Wir stoppten noch in kleinen Orten, alle von Fisch und Hummer geprägt und an herrlichen Stränden.



Bei strahlender Sonne streifte ich heute auf meine Art durch die Stadt und die Uferpromenade. Leider wurde Hummer nun zu meiner Leibspeise, schmeckt so frisch einfach toll. Langsam bekomme ich die Spürnase eines Hundes. Zu meinem Erstaunen fand ich den entfernten Friedhof mit den meisten geborgenen Titanicopfern auf Anhieb.
Es ist schon bewegend, auf so vielen Gräbern denselben Todestag zu sehen.



Überall in ganz Canada stehen diese typischen, bequemen Stühle in allen Farben. Dieser ist ein besonderer und für mich ein Symbol der Größenverhältnisse hier.



Später besuchte ich am bekannten Pier 21 das Einwanderermuseum, die Parallele zu Ellis Island in New York. An diesen beiden Stationen kamen ja auch alle unsere Auswanderer von Bremerhaven usw. an. Die Situation für diese oft so armen Menschen ist in Halifax liebevoll und informativ gestaltet. Es war mir eine ethische Pflicht, über den Laufsteg zu gehen, über den Opa Franz 1951 mit nichts einwanderte. ( Ich habe früher oft über ihn berichtet). Immer wieder erlebe ich wie klein die Welt sein kann, an der Stelle heute schrumpfte auch die Zeit sehr in sich zusammen. Es wurde auch erklärt, dass damals Not, Verfolgung, Hoffnung, Träume usw. die Motive waren, heute kommt man nach Canada, um eine bessere Bildung zu bekommen. Das betrifft sicher Deuschland kaum.





Das runde Kunstwerk ist ein Zeichen der Reue darüber, dass auch Canada ein Schiff mit mehreren hundert Juden zurück schickte, für die meisten das Todesurteil. Auf der Rückseite stehen alle Namen.

Ich vergaß zu schreiben, dass ich unmittelbar vor meinem Weggang von der vorigen Unterkunft eine ganz sonderbare 74-Jährige aus Düsseldorf traf, die mich zutextete, von ihren Reisen durch die Welt, ihrem Reichtum und ihrem Traum, in Canada ein Häuschen mit Garten zu kaufen. Da wäre ich doch die richtige Partnerin. Sie wollte gleich die letzten Tage mit mir verbringen, ich machte mich schnell aus dem Staub.

Nach einer sehr stürmischen Regennacht brach am Morgen wider Erwarten die Sonne voll durch. Ich lief bestimmt wieder meine 15 km, fast nur durch Parks, Alleen, kleine Wäldchen und am Ozean entlang. Komisch, heute fielen mir einige Rattenfallen auf, das kenne ich auch aus Ravensburg. Abends sah ich doch tatsächlich eine über die Haupteinkaufsstraße rennen. Schöne Häuser, saftiges Grün und Meer konkurrieren richtig miteinander.





Immer wieder gab es nette Gespräche mit Einheimischen, viele sprechen über deutsche Vorfahren. Ich muss mich korrigieren: Nova Scotia ist natürlich keine Insel, sondern durch die Straßenverbindung zu New Brunswick eine Halbinsel. Trotzdem ist es eine eigene Provinz Kanadas. Dass ich viel Zeit zum Denken und zur Umstellung hatte, war gut. Morgen werde ich nochmals mit Koffer zur Warft gehen und dann gegen Abend zum Flughafen fahren, wo ich nach 22 Uhr kanadischen Boden verlasse.