Donnerstag, 1. September 2016
Wiederholungen sind neue Möglichkeiten
Nun habe ich wieder mal einen ganzen Artikel gelöscht, also nochmals verkürzt:
31. August
Greyhound Washington DC (4,5 h, ges. 137,5 h, Washington DC)
Erstaunlich wie vieles einem beim 2. Besuch wieder einfällt. Der erste Tag hier war der heißeste meines Sommers, zum Glück hat das Hostel in jedem Zimmer einen Deckenventila-tor. Trotzdem ging ich den interessanten Weg zum Arlington Cemetry. In meiner Kindheit ohne TV war der Tod Kennedys das erste einschneidende politische Erlebnis und heute der Anlass, sein Grab zu suchen. Für amerikan. Verhältnisse ist es schlicht und doch beeindruckend gemacht. Zwischen den zigtausend weißen Kreuzen ist das Denkmal des Unbekannten Soldaten eine richtige Wallfahrtstätte.



Als die Hitze nach einigen weiteren Sehenswürdigkeiten unerträglich wurde, legte ich mich am mir liebsten Denkmal von Martin Luther King ins Gras, direkt am See.



So läßt es sich gut nachdenken und schmunzeln. An die Eigentümlichkeiten der Amerikaner habe ich mich schon etwas gewöhnt: das einlagige Toilettenpapier, die Stromkabel überall - ein Alptraum für unsere Feuerwehr, enormer Plastikmüll, sehr unpraktisches Geld ohne $-Münzen, im Bus kann man nur mit Quartern bezahlen, die kaum jemand wechselt, sehr ungerade Maßeinheiten, auch beim Tanken, viele falsche Auskünfte, es wird überall und immer gehupt und man bedankt sich beim Busfahrer beim Aussteigen, mehr Tätowierte als ohne, immer wieder unwahrscheinlich dicke Menschen, aber insgesamt eine unkomplizierte Lebensweise, von unzähligen Securities behütet. Dass das Erdgeschoss gleich als erste Etage zählt, wurde mir erst heute klar.
Nachdem ich am nächsten Morgen meine Vorausbuchungen für Canada erledigt hatte, machte ich einen geschichtsträch- tigen Museenbummel. Am Capitol musste ich wie vor 3 Jahren wieder mein Vesper wegwerfen, obwohl ich diesmal gar nicht rein wollte. Am Weißen Haus sind noch mehr Absperrungen als damals. Es war interessant, vom Park aus die Touristen zu beobachten und mit einem Studenten aus Göttingen Reiseerlebnisse und Tipps auszutauschen. Eine italienische Einwanderin beteuerte, Obama sei der bisher schlechteste Präsident und Trump gehöre ins Weiße Haus, weil er soooo kluge Kinder habe und Amerika stärke. :-(
Die Wohnviertel hier erinnern an Europa, da werde ich morgen noch bummeln, bevor es dann Richtung Canada geht. Eine gemütliche Stadt, ich fand nicht einen Wolkenkratzer. Die bunten Klinkerhäuser in den Siedlungen haben noch Einfachverglasung, die Schwerpunkte liegen einfach anders. In diesen Metropolen braucht man kein Navi, in NY muss man nur zählen, und hier geht es nach dem Alphabet. Am Union Station traf ich dann tatsächlich doch noch Amish people und konnte mich mit einer dieser Frauen sehr nett unterhalten.



2. September
Greyhound Ottawa (16,5 h, ges. 154 h, Ontario)
Ein langes Wochenende, am Montag ist Labourday, sehr volle Bahnhöfe und unser Fahrer fehlte. Deshalb kam ich Stunden später in NY an, musste den nächsten Bus Richtung Canada nehmen und die Nacht im schönen Time Square Bhf. verbringen, der keine Sitzgelegenheit bietet. Das ist kontrovers zu meinem Rhythmus, nachts im Bus zu sein und morgens in einer mir fremden Stadt anzukommen.



Sonntag, 28. August 2016
NYC hat viele Gesichter
27. August
Heute morgen buchte ich länger meinen weiteren Reiseplan. Mein Wunsch, nach Lancaster zu kommem, wo viele Amishpeople leben und ein hervorragendes Theater bieten, ist leider sehr schwierig. Also werde ich am Dienstagabend auch diesmal nach Washington fahren und mich der amerikanischen Geschichte widmen. Ich hoffe, der nervende Wahlkampf tobt dort nicht zu sehr. Nach 3 Tagen geht es über Montreal direkt nach Ottawa, wo ich in einem umgebauten Gefängnis-Hostel eine Woche Urlaub mache und endlich auch mal zum Schwimmen komme.
Ich erwischte gegen Mittag eine 2,5 stündige Schiffstour rund um Manhatten. Das war urgemütlich und vermittelte wie das Puzzle von NY zusammenpasst. Diesmal wohne ich sehr geschickt in ruhiger Atmosphäre in New Jersey und bin mit dem Bus nach 20 min. Fahrt am Time Square, dabei durchquert der Lincolntunnel den Huston River.



Wie gut, dass ich alle Tipps so ernst nehme. So fand ich wieder an Land mitten in Manhatten die wunderbare "High Line". Aus einer stillgelegten Hochbahnstrecke wurde die beliebteste Promenade NYs. Auf Holzpfählen führt ein Parkweg einige km durch die City, eingerahmt von Blumen, Liegewiese, Bänken, Liegen, Fußwasserbecken und total zufriedenen Menschen. Das hätte ich hier nie erwartet und gefunden.



Die 35 Grad wollen nicht weichen, so habe ich heute klimatisierte Umgebungen vorgezogen. Ich hatte noch den Tipp für eine Gospelkirche am Time Square. Es war kein spezieller Gospel, aber mit riesiger Bühne, Emporen, vergoldetem Stuck, Stofftapeten, viell. mal ein Theater. Mehrere 1000 Leute, wenn die singen und klatschen, hebt sich fast das Dach. Mittags fuhr ich mit den Buslinien durch mir unbekannte Stadtviertel und ging in ein Museum. Die Abendstimmung an der Südspitze von Manhatten war ein angenehmer Abschluss, bevor es wieder fast schlagartig dunkel wurde.
29. August
Heute trotze ich der Hitze und gehe erst mal wieder aufs Wasser, in Richtung Freiheitsstatue. Diesmal wollte ich in die Krone steigen. Leider war es mir nicht möglich, die nötige Vorbuchung vor 4 Wochen auf einen genauen Tag festzulegen. Die Warteschlange und die fast 400 Stufen wären bei der Hitze auch kein Vergnügen. Die Touristenattraktion hatte ich ja vor 3 Jahren schon, also legte ich mich ins schattige Gras und hörte gemütlich den Audioguide. Diese Lady schreibt mehr Geschichte als sämtliche Präsidenten zusammen. Wertvoll finde ich die Grundrechte, die sie verkörpert: Recht auf Rede- und Religionsfreiheit, Recht auf Freiheit von Not und Furcht.



Dann ging es zu Ellis Island, das wurde damals aufgrund der Schäden durch den Wirbelsturm 2012 renoviert. Diese Untersuchungsstation für Einwanderer war für mich sehr interessant, da ich ja das Auswanderermuseum in Bremerhaven kenne und einige nordamerikanische Emigranten nun im Freundeskreis habe.



Gegen Abend konnte ich mir die zweite Promenade von höchster Beliebtheit nicht verkneifen, den Gang über die Brooklynbridge. Auch das war mehr als nur eine Wiederholung, weil bei meinem ersten Besuch auch hier sehr renoviert wurde.




Sonntag, 21. August 2016
Auf dem Weg Richtung Deutschland
Greyhound nach NY (50 h, ges. 133 h, NY)
23. August
Zwei Nationalparks in South Dakota hätte ich gerne noch besucht, doch ich scheue gerade die Umstände, sie zu erreichen. Im Mt. Rushmore meiselten von 1927 bis 1941 ca. 400 Arbeiter die Köpfe der Präsidenten, die Geschichte schrieben, in die schwarzen Felsen: Washington (1.), Jefferson (3.), Roosevelt (26.) und Lincoln (16.), jeweils 18 Meter hoch. Dies war eine riskante Aktion, ohne die heutige Technik. Die Indianer sehen das heute noch als Entweihung ihres Heiligtums. Was wird wohl der/die 45. Präsident/in verändern?



Diese Fahrt ist wieder ganz anders als z.B nach Alaska. Volle Busse, zügiges Abfertigen, unendlich ausgedehnte Natur und die pulsierenden multikulti amerikanischen Großstädte. Ich habe jetzt in Chicago gut die Hälfte der Fahrt hinter mir, immer auf dem Hwy 90 durch mehrere Staaten gen Osten. Die letzten 24 Std. war ein einmonatiges Baby mit im Bus und der Dickste setzte sich ausgerechnet neben mich. Ein lustiger Truckerfahrer, der seine Deutschbrocken erweitern will und mich allen Ernstes fragte wieviele Jahre ich schon in Amerika lebe. Gestern buchte ich bereits die Unterkunft in Ottawa, Empfehlung von den Frauen im Yellowstone: ein umgebautes Gefängnis, sieht gut aus (jail Hostel, Ottawa).

25. August
Bin gerade sehr gut angekommen, nach zusätzlichem Buswechsel wegen Panne sogar im passenden Stadtteil. So, jetzt muss ich erst mal zur Unterkunft und mich um Sauberkeit und Schlaf kümmern. Aber das war dann doch nicht so einfach, denn man kann erst am Nachmittag einchecken. Also machte ich trotz meines übernächtigten Aussehens gleich einen Broadwaybummel und staunte, wie vieles mir nach 3 Jahren gleich wieder bekannt war. Der Grand Central Terminal, einer der bedeutendsten Zugbahnhöfe der Welt, war eine passende Einstimmung. Beim nach unten gehen, kann man fühlen, was Stuttgart 21 noch vor sich hat.



Nachts pulsiert diese Stadt noch mehr und lebt ihre Einmaligkeit aus.



Heute hatte es wieder 35 Grad, so dass ich zuerst die kühle Library aufsuchte, mit dem weltschönsten Lesesaal. Dieser ist leider 2 Jahre wegen Deckenrestaurierung geschlossen. Hier vielleicht der zweitbeste. Diese Büchereien haben in Nordamerika einen viel höheren Stellenwert und werden sehr rege frequentiert.



Im Süden von Manhattan ist alles ganz dicht, Weltbanken, Börse, Ground Zero, mit seinen Wunden und neuen Einmaligkeiten, ganz viel buntes Leben und ein reger Fährenverkehr. Eine Tour bringt täglich über 100 Tausend kostenlos zur State Island und heute mich: vorbei an Ellis Island und Freiheitsstatue bei bestem Wetter und herrlicher Aussicht.





Die Abendstimmung passte zu dem jetzt frei zugänglichen Ground Zero Memorial an beiden ehemaligen Turmfundamenten, mit seiner fast weihevollen Stille.



In unmittelbarer Nähe ragt der neue Tower leuchtend gen Himmel und erstrahlt der seit kurzem eröffnete Subway Station "Oculus" des spanischen Architekten Calatrava aus weißem Marmor. Diese beiden Bauwerke sind eine Superlative der Höhe und der Tiefe. Der Bahnhof wirkt äußerlich zwischen den Skylinern wie eine weiße Taube, die gerade wegflattern will, zeigt jedoch im Innern ein gewaltiges Volumen der Baukunst. Auffällig ist, dass es in den größten Bahnhöfen hier keine einzige Bank gibt, kein Ort für Nichtsesshafte.





Während ich mich in die Reihe der Staunenden einordnete, sagte mir eine gebürtige New Yorkerin, sie fand diese Plätze früher viel stimmiger und meide jetzt diese Gegend. Sie wird sich daran gewöhnen müssen, den 9.11. kann man nicht ungeschehen machen.