Freitag, 7. Juni 2019
Die Welt ist so herrlich abwechslungsreich
7. Juni 2019
Jetzt verstehe ich, warum die Menschen hier vor 2 Tagen bei meiner großen Wanderung so über das sonnige Wetter staunten. Es war wohl der erste Tag, an dem man hier nicht mit Mütze und Schal rumlief. Heute sieht es leider auch schon wieder anders aus. Ich hatte auch manches nicht mehr in Erinnerung, z. B., dass man sich beim Aussteigen vom Bus beim Fahrer bedankt und einen guten Tag wünscht. Zwei erstaunte Blicke halfen mir auf die Sprünge. Ich staune auch immer neu, wie sie hier in die Felsen bauen und die Farben auch ohne Sonne leuchten.



Gestern gedachte man auch hier an den Tag X als vor 75 Jahren die Alliierten in der Normandie einmarschieren, um das Hitlerdeutschland zu bekämpfen. Canada musste ja England unterstützen, vorrangig Neufundland. Dies war noch englische Kolonie und wurde erst 1949 eine der kanadischen Provinzen. Irgendwie war es für mich ein komisches Gefühl, wie ging man wohl in Deutschland darauf ein? Unser von hier aus gesehen so kleines Land hat die halbe Welt mobilisiert.

Heute Nacht ging im Hostel wieder ein Feueralarm los. Die Männer der Feuerwehr müssen alles absuchen bis zur Entwarnung. Wieder mal ein technischer Defekt. Gerade wurde ich zum 3. mal klatschnass. Man lacht auf dieser Insel nur darüber und schüttelt sich, wenn ein vorbeifahrendes Auto den Gehweg überschwemmt. Die Kleider trocknen am besten, wenn man sie einfach anlässt.
Ich buchte eine kleine Bustour,wurde im PKW abgeholt und saß vorne. Das ältere Paar hinter mir war gestern schon mit auf dem Schiff. So wurde es wieder mal richtig familiär. Der Fahrer zeigte und erzählte uns viel, er hatte eine andere Version über die bunten Häuser der Altstadt, die streng unter Denkmalschutz stehen. Im 19. Jh. brannte die Stadt 3 mal ab, völlig 1892. Der Winter nahte, man baute ganz schnell, aneinanderstehend wieder auf. Es war ein Fischerdorf, die Seemänner klopften abends im Vollrausch oft an der falschen Türe. Zur Orientierung strichen die Frauen ihre Häuser in den verschiedenen Farben.
Hier die kleine Version, ein besonders schöner Müllbehälter an der Einfahrt. Alle haben diese Form und müssen verschlossen sein, nicht wegen Grizzlies, sondern wegen gefräßiger Möwen.



Terry Fox ist ein Held des Neuzeit Canadas, sehr bewegend im Internet nachzulesen. Es begann hier im Hafen.



Diesen blauen Hummer gibt es unter 2000 einmal, er wird bis zu 100 Jahre alt, falls er den Fangkörben entkommt. Die Fischer ärgern sich übrigens über die Eisberge. Sie machen das Meer noch kälter, so dass die Hummer abwandern. Diesen besonderen Atlantikschmaus muss ich auch noch probieren.



1996 gab es hier ein Wunder. Mit einem Eisberg kam ein Polarbär versehentlich mit. In dramatischer Aktion wurde er gerettet und bekam im folgenden Jahr 2 Junge. In Labrador kommen gestrandete Polarbären auch mal in ein Dorf, sehr gefährlich. Eine Tour mit einem Einheimischen lohnt sich bestens. Er liebt übrigens besonders die Deutschen, weil sie so wissbegierig sind und jeden Winkel erforschen wollen.
Abends war dann noch Museumsnacht. Dort wird deutlich gezeigt, wie die Iren als erste ins Land kamen und diese Prägung heute noch dominiert. Im Foyer spielte eine Musikkreis mit klassischen Instrumenten Irish Folk, natürlich wieder mit Meerblick. Meinen letzten Tag hier werde ich mir morgen wieder allein gestalten.

Der Kaffee war heute besonders gut, bei 9 Grad und Nebel machte ich mich auf den Weg zu einem See. Die kleine Kirche wollte ich von innen sehen, aber ich stand gleich in einem privaten Wohnzimmer. Der Man hat diese Kirche und eine Schule gekauft und zu Wohnungen umgebaut.



Vom See war nicht viel zu sehen, doch der Weg war richtig erholsam. Ich sprach mit einigen Leuten, sie leben alle gerne hier, ein Tourist aus England prophezeite mir den Untergang seines Landes - Brexit.



Morgen geht es früh los: mit dem Bus rund um die Insel, 13 Stunden (Greyhoundgefühl), dann mit der Fähre nach Nova Scotia, 7 Std. Ich wollte die Tagesfähre, aber sie überzeugten mich anders, weil man ja nur Wasser sehen würde. Also, ich bin dann erst mal wieder unterwegs.




Dienstag, 4. Juni 2019
Ich bin gespannt auf das Neuland
4. Juni 2019
Es geht alles wieder ganz einfach, wie für mich vorbereitet. Nach einer guten Landung wurden mir die riesigen Entfernungen klar. Doch am Flughafen bekam ich alle nötigen Informationen und einen Packen mit Vorschlägen. Mit Ausländern sprechen sie zum Glück auch deutlicher. Das Wetter ist mild, entgegen der Vorhersage. St. John's ist ein gemütliches Städtchen, erinnert ein wenig an Alaska. Alle meine in Deutschland geplanten Fahrten klappen bis nach Halifax, ich muss nur noch buchen. Nun nehme ich den Bus zu meiner Unterkunft, dann kommt ein gemütlicher Abend. Zu euch sind es nur noch 4,5 Std. Zeitunterschied, ich komme spürbar näher. Gestern schwammen hier wohl Eisberge von Grönland vorbei, das wünsche ich mir auch für morgen.

Ja, wo bin ich gelandet. Heute Morgen tolle Sonne, knapp 20 Grad und tatsächlich superfreundliche Menschen. Ich wohne bei einer vor 15 Jahren eingewanderten afrikanischen Familie, wieder eine neue Erfahrung. Wir lachen viel, sie brauchten Jahre, um den Dialekt hier zu verstehen. St. John's ist die älteste Stadt Nordamerikas, von europäischen Fischern gegründet. Hier tummeln sich im Juni die Eisberge und im Juli die Wale fast vor der Haustüre. Mein Zeitplan ist also genau richtig. Newfoundland hat mit Labrador 550 000 Einwohner, die fast alle rundum an der Küste, entlang der einzigen Hauptstraße wohnen. Nun weiß ich, dass Canada vom westlichsten Zipfel Tofino auf Vancouver Island (Pazifik) bis zum östlichsten hier (Atlantik) wunderschön ist. Diese Stadt hat fast nur bunte Häuser oder historische Gebäude. Eine Frau erklärte mir im Bus, dass sie die Farben wegen der langen, feuchtkalten Winter mit viel Wind brauchen.



Wenn ich jemand nach dem Weg frage, läuft derjenige auch mal ein Stück mit. Ich kenne ja ein gutes Rezept landesweit: frage 3 Personen, mixe alles gut, der Durchschnitt ist die beste Antwort. Heute lief ich auf den höchsten Felsen hier mit toller Aussicht. Zum Glück bin ich bereits gut eingelaufen, es geht meist steil bergauf oder abwärts, wie in Rom oder San Franzisco - der Preis für die Lage am Meer.



Von dort geht ein langer Weg, gut gesichtert durch Treppen mit faszinierendem Panorama, zurück zur Stadt. Ein paar Abhänge waren durch ein Stahlseil am Fels gesichert. Nicht direkt mein Hobby, aber da gab es kein zurück mehr. Und dann kamen sie, 4 Eisberge im stahlblauen Ozean. Sie warten auf Wind und Strömung oder schmelzen langsam dahin. Morgen fahre ich mit dem Schiff näher heran. Das Eis ist ca. 12000 Jahre alt. Da wird ein Menschenleben total unscheinbar.



Es gibt 2 Gründe für Tränen: Abschied und überwältigtes Staunen. Ich konnte nun alles gut regeln und werde noch viel erleben. Aber alles zur rechten Zeit, ich bin jedenfalls sehr zufrieden, dass alle deutschen Schreibtischplanungen über Erwarten zutreffen.

6. Juni 2019
Der Eisberg oben ist zu weit weg, das muss ich ändern. Also rauf aufs Schiff, trotz Regen, Wind und Kälte. Ich wurde nicht enttäuscht, wir haben 2 länger umfahren, ziemlich nahe und bei Wellengang. Das war ja schließlich der Hauptgrund meines Hierseins. So ein Brocken war auch weiter südlich das Aus für die Titanic. Aber genau vor St. John's wurden Teile von ihr gefunden.












Sonntag, 2. Juni 2019
Wieder mal auf Entdeckungstour
1. Juni 2019
Nun bin ich schon einen Monat hier, kaum zu glauben. Die Insel wurde an diesem Wochenende nach Überflutung durch Starkregen wieder für Touristen geöffnet. Sie liegt tiefer als die Stadt, die 750 Bewohner sind noch bemüht, ihre Grundstücke zu entwässern. Immer mit der Ruhe und den bereitstehenden Gummistiefeln. Es ist schon komisch, wenn eine kleine Straße im Wasser mündet, Bank oder Stuhl nur halb herausragen, Badestrände nicht mehr zu sehen sind, man die kleine Kirche nicht mehr erreichen kann oder ein Schwan vor der Haustür schwimmt. In Ottawa fiel alles schlimmer aus, weil sie dort noch den großen Kanal und Fluß haben.





Die Landschaft jedoch grünt umso mehr, im Norden die Stadtansicht, ohne Lärm, im Süden den endlosen See, ein Naherholungsparadies. Dazu gehört auch ein kleines Häuschen, in das die Bewohner ihre übrigen Sachen legen und jeder sich bedienen darf.



Wieder an Land, völlig andere Welt. Hier wartet man auf die feine englische Art auf den Bus.



Mir fiel diesmal auch auf, dass der Müll hier nun auch genauer nach Vorschrift getrennt wird und man sehr auf gesundes Essen achtet: alles möglichst ohne Zucker, viel Salat, keine Milchprodukte, Gemüse oder Obst aus den USA, dort sind die Agrarvorschriften viel lockerer. Dass abends Tee dem Alkohol vorgezogen wird, ist wohl auch eine Preisfrage. Dafür beinhalten die Bierkrüge 1,5 Liter. Ich liebe auch die 100-prozentigen Orangensäfte sehr, nachgießen natürlich umsonst.
Sehr schön ist auch die kleine Sugar Beach am Hafen. Der Name kommt wohl von der großen Zuckerfabrik nebenan, zu deren Eröffnung vor 60 Jahren die junge Queen kam oder vom hellweißen Sand, den man fast in den Kaffee streuen möchte.



Heute folgte ein richtiger Sonnen-Sonntag.
Morgens lernte ich nochmals 2 ganz nette Frauen kennen und wurde gleich eingeladen. Aber das kann man ja nicht endlos so treiben. Also ging ich nochmals zur deutschen Kirche und verabschiedete mich von Katharina und Sohn. An Abschiede werde ich mich nie gewöhnen, aber ich war standhaft. Bisher versprach ich keinem wieder zu kommen. Den einen oder anderen werde ich wahrscheinlich dafür in Deutschland wieder sehen.



Danach hatte ich eine wohltuende Zeit am Strand. Ich lief stundenlang in Sonne, Sand und knietiefem Wasser und stellte mich innerlich auf den neuen Abschnitt übermorgen ein, das wird Neuland pur.





Überall laufen Monitore mit Musik und Infos. Durch den Hauptbahnhof hier gehen täglich durchschnittlich 300 000 Menschen, durch den Flughafen wahrscheinlich noch mehr. Deutschland taucht dabei auch immer wieder auf. Die erste Jugendherberge gründete 1909 ein deutscher Lehrer, Canada zog erst 1933 nach. Ich treffe auch ständig auf deutsche Auswanderer, eine aus Albstadt hörte bei mir gleich den Schwaben heraus. (80 km von RV entfernt).

Mein letzter Torontotag war nochmals wie für mich gemacht: Sonne Wind, Wasser und Stadt.
Morgen Früh fliege ich dann 3 Stunden nach Newfoundland und werde noch einige Tage Inselleben genießen. Das öffentliche Essen hier schmeckt oft ganz unerwartet fremd. An Süßkartoffeln und den allgegenwärtigen Stangensellerie habe ich mich ja schon gewöhnt, staunte aber über meine chicken wings in Honig/Knoblauchsoße. Schmeckte und klebte, eigentlich hätte ich danach eine Dusche gebraucht.
Vorhin erklärte mir jemand geduldig, warum Quebeck schon sehr lange um die Unabhängigkeit von Gesamtcanada kämpft. Das hängt mit den französischen ersten Einwanderern zusammen, die immer eine separate Prägung behaupteten. Langsam ebbt dieser Drang ab, weil die junge Generation sich mehr und mehr zum ganzen Land zugehörig fühlt, trotz anderem Sprachschwerpunkt. Ich habe vieles im Hintergrund entdeckt und die Touristenbusse im Stau bedauert, während ich mit der Straßenbahn schneller zu meinen Zielen kam.
Als Zeichen der Einheit immer wieder die Flaggen aller Provinzen.