Samstag, 15. Juni 2019
Auf dem inneren und äußeren Weg nach Hause
15. Juni 2019
Bei diesem dritten Kanadaufenthalt habe ich diesmal viel verglichen, hinterfragt und überlegt. Es war nochmals ganz anders und doch vertraut. Jede einzelne geplante Begegnung war einmalig und ging sehr nahe. Bekanntes wieder zu treffen oder die Natur und Neuland zu erobern, war eine erfüllende Herausforderung. Das lässt sich nicht mehr toppen oder wiederholen. Wenn ich nochmals zur Welt käme, könnte ich nicht entscheiden, wo ich lieber wäre. Hier geht vieles spontaner, unkomplizierter, öffentliche Verkehrsmittel sind billiger, und in den Städten benützt man sie fast alle zum gleichen Preis und kann längere Zeit in alle Richtungen wechseln, viele Toiletten, immer sauber und kostenlos, Superbenzin kostet ca 80 Cent, unerwartete Freundlichkeit und Offenheit überwiegen uvm. Auf der anderen Seite sind unsere deutsche Genauigkeit, die technische Präzesion, die Berechenbarkeit und Gewohnheiten nicht zuletzt beim Essen, der lange Traditionshintergrund, die zeitnahe ärztliche Versorgung usw. auch sehr wertvoll. Alles hat eben 2 Seiten, und im Urlaub überwiegt die Freiheit, während der Alltag von Bindungen und Ergänzungen getragen wird.

Den Tag heute habe ich nochmals so richtig genützt, allerdings mit Koffer: Bustour durch die Stadt, Wechsel zur Fähre, Leibspeise, Sonnenbad am Atlantik, immer wieder nette Gespräche. Am Flughafem wollte mir dann eine Hamburgerin ihr Grundstück auf Nova Scotia verkaufen. Es gibt schon urige Rentnerinnen.

Im Rückblick kann ich mal wieder nur vielen Menschen und Gott sehr, sehr dankbar sein. Keine Gefahr, kein Problem, kein hätte ich doch .... Es war zwar diesmal kein halbes Jahr, aber jeder Tag war reich gefüllt. Ich lebte in 5 Provincen ausgiebig, bezog 15 mal eine Unterkunft und verbrachte 25 Stunden in Flugzeugen. Es waren auch immer wieder wertvolle Kontakte zu euch in die Heimat. Danke, dass mich so viele im Status und im blog begleiteten. Und natürlich wieder ganz besonderen Dank an dich, liebe Constanze in Kopenhagen. Ohne dich wären es nur farblose Worte geblieben. Vielleicht machst du ja aus dem ganzen ein 3. Buch, das wäre die Krönung. Vorhin machte ich noch 2 Bilder, die wieder die Liebe dieses Volkes zu ihrem Land ausdrücken. Das Herz ist auf Plakaten mit dem Aufruf zur Mülltrennung, und das Ahornblatt vor einem ganz gewöhnlichen Parkhaus.





Die Landung in Frankfurt verlief auch sehr gut. Mal sehen, ob es die letzte war.



Donnerstag, 13. Juni 2019
Es gibt immer noch mehr zu bewundern
12. Juni 2019
Heute bezog ich mein letztes Quartier, ein Studentenzimmer in einer Uni hoch über der Stadt mit Hafenblick. Ich hatte mich zu einer Küstenfahrt angemeldet, wir waren wieder nur 2 Teilnehmer und bekamen viele Informationen. Diese Nacht war heftiger Regen, dem fast ein Sommertag folgte. Ja, es hatte auch hier im April und Mai nur 3 regenfreie Tage. Der Flieder fängt jetzt zu blühen an, die Wiesen sind gelb wie bei uns im April, noch nicht alle Bäume haben ihre Blätter. Die Insel hat knapp 1 Million Einwohner und wirklich Tausende Seen, plus rundum den Ozean. Diese besondere Küste war vor langer Zeit von Gletschern bedeckt.





In das kleine Dörfchen mittendrin kamen vor allem deutsche Farmer vor mehr als 100 Jahren. Sie mussten lernen, dass hier kein Gras wächst, man vom Meer leben muss oder westwärts weiterziehen. Gut, dass wir früh da waren, bald kam ein Bus nach dem andern. Ein Kreuzfahrtschiff spuckte in Halifax Tausende aus, die hergekarrt wurden und den Leuchtturm stürmten. Ganz schön lästig, da war mir dann das Kirchlein lieber.



Plötzlich sprach mich eine Frau auf deutsch an. Auf meine verblüffte Frage, woher sie meine Nationalität wisse, meinte sie, das sehe man sofort an der Kleidung. Komisch, meine Sandalen sind ein amerikanisches Fabrikat, in der Windjacke steht 'Made in Bangladesch' nur die Hose kommt aus Kassel. Wir stoppten noch in kleinen Orten, alle von Fisch und Hummer geprägt und an herrlichen Stränden.



Bei strahlender Sonne streifte ich heute auf meine Art durch die Stadt und die Uferpromenade. Leider wurde Hummer nun zu meiner Leibspeise, schmeckt so frisch einfach toll. Langsam bekomme ich die Spürnase eines Hundes. Zu meinem Erstaunen fand ich den entfernten Friedhof mit den meisten geborgenen Titanicopfern auf Anhieb.
Es ist schon bewegend, auf so vielen Gräbern denselben Todestag zu sehen.



Überall in ganz Canada stehen diese typischen, bequemen Stühle in allen Farben. Dieser ist ein besonderer und für mich ein Symbol der Größenverhältnisse hier.



Später besuchte ich am bekannten Pier 21 das Einwanderermuseum, die Parallele zu Ellis Island in New York. An diesen beiden Stationen kamen ja auch alle unsere Auswanderer von Bremerhaven usw. an. Die Situation für diese oft so armen Menschen ist in Halifax liebevoll und informativ gestaltet. Es war mir eine ethische Pflicht, über den Laufsteg zu gehen, über den Opa Franz 1951 mit nichts einwanderte. ( Ich habe früher oft über ihn berichtet). Immer wieder erlebe ich wie klein die Welt sein kann, an der Stelle heute schrumpfte auch die Zeit sehr in sich zusammen. Es wurde auch erklärt, dass damals Not, Verfolgung, Hoffnung, Träume usw. die Motive waren, heute kommt man nach Canada, um eine bessere Bildung zu bekommen. Das betrifft sicher Deuschland kaum.





Das runde Kunstwerk ist ein Zeichen der Reue darüber, dass auch Canada ein Schiff mit mehreren hundert Juden zurück schickte, für die meisten das Todesurteil. Auf der Rückseite stehen alle Namen.

Ich vergaß zu schreiben, dass ich unmittelbar vor meinem Weggang von der vorigen Unterkunft eine ganz sonderbare 74-Jährige aus Düsseldorf traf, die mich zutextete, von ihren Reisen durch die Welt, ihrem Reichtum und ihrem Traum, in Canada ein Häuschen mit Garten zu kaufen. Da wäre ich doch die richtige Partnerin. Sie wollte gleich die letzten Tage mit mir verbringen, ich machte mich schnell aus dem Staub.

Nach einer sehr stürmischen Regennacht brach am Morgen wider Erwarten die Sonne voll durch. Ich lief bestimmt wieder meine 15 km, fast nur durch Parks, Alleen, kleine Wäldchen und am Ozean entlang. Komisch, heute fielen mir einige Rattenfallen auf, das kenne ich auch aus Ravensburg. Abends sah ich doch tatsächlich eine über die Haupteinkaufsstraße rennen. Schöne Häuser, saftiges Grün und Meer konkurrieren richtig miteinander.





Immer wieder gab es nette Gespräche mit Einheimischen, viele sprechen über deutsche Vorfahren. Ich muss mich korrigieren: Nova Scotia ist natürlich keine Insel, sondern durch die Straßenverbindung zu New Brunswick eine Halbinsel. Trotzdem ist es eine eigene Provinz Kanadas. Dass ich viel Zeit zum Denken und zur Umstellung hatte, war gut. Morgen werde ich nochmals mit Koffer zur Warft gehen und dann gegen Abend zum Flughafen fahren, wo ich nach 22 Uhr kanadischen Boden verlasse.



Montag, 10. Juni 2019
Über den Atlantik zur letzten Provinz
9. Juni 2019
Die Busfahrt um Neufundland hat mich sehr an den Greyhound erinnert. Es dauerte so lange, weil sämtliche kleine 0rte angefahren werden, z. T. mit Aufenthalt. Während rechts immer wieder das Meer auftauchte, gab es links eine Unmenge von Seen zwischen den Wäldern.



Die starke Elchpopulation zeigte sich leider nicht. Das Termometer blieb auch mittags zwischen 6 bis 8 Grad. Es kommt wohl alle paar Jahre vor, dass der Juni so kalt ist, wenn der Wind lange vom Meer kommt, das durch die Eisberge noch mehr abkühlt. Den wärmsten Tag dieses Jahres nutze ich unbewusst zu der herrlichen Wanderung, toll.
Nova Scotia soll wärmer sein, mal sehen. Jetzt bin ich die Nacht über auf einer exklusiven Fähre, das Einchecken war fast wie am Flughafen. Sogar ein Casino ist drauf, verrückt.



10. Juni 2019
Die Fahrt über das Meer war ruhig und schön gemütlich. Dann musste ich allerdings einiges ändern, weil die Infrastruktur an dem Cap ohne Auto nicht passte. Ich wollte keine Probleme in der letzten Woche. Also nahtlos rein in einen anderen Bus und 6 Std. nach Halifax. Hier konnte ich mich gleich passend und schön einrichten und mache jetzt Sternfahrten von hier aus. Es ist auch angenehm warm. Nun gibt es erst mal Hummer zum besonderen Anlass, und morgen werde ich ausschlafen.
PS:. Ich hatte auch ein Steak und nur eine kleine Portion Hummer. Es schmeckte, bleibt aber einmalig, weil mir widerstrebt wie die lebendig ins kochende Wasser kommen.

Wieder ein sehr wertvoller Tag. Kaum zu glauben wie verschieden diese beiden benachbarten Inseln sind. Halifax wirkt wieder viel kanadischer, auch vom milderen Klima her gesehen. Es ist sogar wieder eine halbe Std. Zeitunterschied, also zu euch 5 Std. früher. Hier das Wahrzeichen der Stadt, gehört zur Zitadelle.



Der ganzjährig eisfreie, große Hafen spielte vor allem strategisch immer eine große Rolle. 1719 kamen die Engländer, enteigneten die Indianer, dann brach der besitzergreifende Kampf zwischen England und Frankreich hier aus, später das gleiche mit Amerika, dann der 1. und 2. Weltkrieg, in dem sie mit England in Europa kämpften. Ich war vorhin lange in der sehr bedeutenden Zitadelle über der Stadt. Wieder mal ganz viel D-Day, Tag X gegen Hitler. Jetzt ist sie ein historischer Zeitzeuge, deutlicher Unterschied von damals und heute ....






Dieser Hafen war auch das Tor zu Canada für alle, die letztes Jahrhundert einwandern. Heute Abend ist wieder freie Museumsnacht. Ich bin froh, dass ich hier noch einige Tage habe, mit allen Möglichkeiten. Eine Frau von Nova Scotia warnte mich heute vor den vielen Ratten und Zecken in dieser Stadt. Blödsinn, überall liegen Menschen auf dem Rasen, ich konnte nur eine kleine Maus entdecken, die gerade ein Vogel attackierte. Ich vergesse immer, das Essen zu fotografieren. Hier ein Frühstück; 2 Toast, Marmelade, 2 Eier, Bacon, Bratkartoffel, Kaffe endlos. Das reicht meistens bis zum Abend.



Das Maritimmuseum ist sehr informativ gestaltet. Ein Großteil beschäftigt sich mit dem Untergang der Titanik. Viele geborgene Fundstücke sind ausgestellt. Die Geretteten wurden damals nach New York gebracht zu ihrem Zielhafen. Viele der Toten sind in 3 Friedhöfen in Halifax beerdigt, alles ganz hautnah.