Sonntag, 22. Mai 2016
Was wird wohl alles diese Woche passieren?
23. Mai - Feiertag, Victoriaday
An diesem Tag feiert man in Canada den Geburtstag der Queen, die hier immer noch einen gewissen poltischen Status besitzt. Oft habe ich mich gefragt, warum die Canadier so total anders geprägt sind als wir. Eine Erklärung habe ich nun: sie haben keinen einheitlichen Ahnenstammbaum, der sich weiterentwickelt hat, sondern sind entweder Nachkommen der verschiedenen Indianerstämme oder Einwanderer. Sie strahlen eine ständige Urlaubsstimmung aus. Für mich toll, für den Alltag etwas oberflächlich.
Heute fuhren wir gleich 2 mal in die USA, man tankt dort billiger und kauft günstig alle Milchprodukte. Nun haben die Amis wieder mal meine 10 Fingerabdrücke, ein Aktenfoto und viele beantwortete Fragen. Ich habe Stempel und Schein im Pass und kann jetzt nach Belieben zwischen Alaska und der mexikanischen Grenze pendeln. Da fühlt man sich ein bisschen, als ob einem die ganze Welt gehöre.
Doch dafür habe ich gerade keine Zeit, die Ernte läuft auf Hochtouren, Team und Gruppe fordern mich auch heraus, genauso wollte ich es ja. Nächste Woche wünschen sie sich einen Tag lang nur deutsches Essen. Mal sehen!?

Zweimal wöchentlich trinke ich mit dem inzwischen 84-jāhrigen Hobbygärtner um 7 Uhr im Gewächshaus Kaffe (früher Psychiater, der sich besonders auf mich freute). Die älteste Mitarbeiterin meinte, er hätte noch nie darum gebeten. Ich erklärte ihr, dass Männer gefragt werden wollen und hoffe, dass es nach mir Gewohnheit bleibt. Nach einem sonnigen Arbeitstag war ich mit 3 Mitarbeitern bei Helmut und Linda (Seniordirektor) zum festlichen Essen eingeladen. Bei der Heimfahrt nach einer gemütlichen Plauderrunde wurde mir gesagt, dass das eine seltene Besonderheit wäre, dementsprechend schätze ich es auch. Für Helmut bin ich ein "Peacemaker", finde ich gut.
In diesem Teil der Einrichtung bin ich die Einzige mit Dusche und Badewanne. Das ist herrlich zum Aufwärmen nach den Arbeitstagen im Freien bei der neuen Kältewelle. Bei allem Wohlstand fehlt mir nur eines: nach einem erledigten Kraftaufwand ein Aperitif. Ich muss mich ja an die absolut alkohol- und rauchfreie Zone hier halten.

Heute, Samstag, Regen und kühl. Ich säubere gerarde ca. 100 kg Erdbeeren, neben mir wird Marmalade gemacht. Manchmal kommen Spenden ohne Ende und unerwartet.



Diese Frau hat wohl die schlimmste Lebensgeschichte, die mir je begegnete. Gestern ging es ihr total schlecht, sie kam als Notfall ins Krankenhaus. Heute half sie mir 5 Std. in der Küche und war glücklich, auch eine Art Therapie. Nachher besucht mich eine Ehemalige von 2013. Toll, wie immer wieder Wunder geschehen. Eine befreundete Amerikanerin, mit der ich kontinuierlich in Kontakt bin, hat mich genau an meinem Geburtstagswochenende eingeladen, sicherlich ohne es zu wissen. Nun freue ich mich darauf, entgehe dem Rummel, feiere genau mit dem richtigen Menschen in diesem Kontinent, im US-Staat Washington in Richtung Seattle.
Ich bekomme immer neue Reisevorschläge für später. Doch das hier hat nochmals einen ganz anderen Schwerpunkt. Nach kurzer Zeit taucht man so ganz in den Canadian Way of Life ein, d.h. Gefühle und nochmals Gefühle (die sich in einem Nu ändern können), dann Klimaanlagen, immer wieder Mahlzeiten, Komplimente, erst dann kommt alles andere. Manche sagen, ich würde wie ein Pferd arbeiten, dabei lebe ich nur genauso wie in Deutschland. Ich konnte nun eine kg-Waage und sogar einen Späzleshobel auftreiben, nun muss ich nicht mehr diese cups-Maße umrechnen. Jetzt weiß ich auch wozu in den neueren Häusern in den Fluren Steckdosenklappen sind, hinter denen nur ein Loch ist. Man steckt da einem dicken, sehr langen Schlauch rein, der vorne eine Staubsaugerdüse hat. So erreicht man jede Ecke im Haus, und der Dreck geht gleich in einen Container nach draußen. Fragt mich nicht wie das technisch funktioniert. Dem Team versuche ich zu vermitteln, dass man manches nicht nach Wochenplan, sondern nach Notwendigkeit macht. z.B. Müll, gießen, ernten ... Hoffentl. mache ich mich nicht unbeliebt! :-)
Gerade passierten wir wieder die US-Grenze. Man fährt auf der O. Straße, die Häuser rechts sind Canada, links America. Die Zollbeamten kennen uns meist, mein Pass gleicht langsam einem Waschlappen.



Dienstag, 17. Mai 2016
Alltag mit Canadiern
17. Mai
Wartezeiten nütze ich, um mir Informationen zu holen. Jetzt ist mir klar, warum gerade hier so viele kaputte Menschen leben, ohne Touristen oder Einwohner zu belästigen. Sie sammeln sich von ganz Canada in V., weil hier der mildeste Winter ist und man auch auf der Straße überleben kann. Drogen sind erlaubt, wenn nicht gehandelt wird, dementsprechend kaputt sind sie auch. Neben der Polizei achten die Betroffenen selbst aufeinander, um kein zeitlich begrenztes Drogenverbot zu riskieren. Die Ballung war sinnvoll zur besseren Kontrolle und für Hilfsorganisationen. Damit mein Informant sicher sein konnte, dass ich dalles verstanden hätte, sagte er noch: " Keiner pupst in sein eigenes Bett. Wenn ein Betroffener kriminell sein will, geht er nach außerhalb."

Wow, das war wieder ein Tag. Beim herzlichen Wiedersehen wurde mir gesagt, jetzt wäre ich unter ihrem Schutz und solle mich so richtig zuhause fühlen. Das ist nicht schwer, kurz drauf waren wir schon auf dem Motorboot mit Picknick an einer sonnigen Anlegestelle. Abends holte Helmut ausgerechnet mein Lieblingsspiel Scrabble hervor, zum Glück bin ich auch in English ein froher Verlierer. Nun falle ich aber in einem wunderschönen Zimmer in mein wieder mal sehr großes Bett.

Heute war es genauso schön. Ich bin einfach Teil der Familie, auch mit Kindern und Enkeln. Alle bemühen sich, dass es mir gut geht. Dazwischen arbeite ich ein bisschen im Garten, da kann man gut reflektieren. Als ich heute sagte, es falle mir bestimmt schwer, später zu sagen, was der schönste Tag war, kam die Antwort: "Warte ab, es kommt noch mehr." Hoffentlich verkrafte ich das alles gut. Hier gibt es vielleicht tolle Vögel, z.B. diese.



20. Mai
Nachdem ich nun wörtlich als Familienmitglied akzeptiert bin und immer wieder kommen kann, brachte mich Helmut heute Abend an meinen Volunteerplatz. Der Empfang war wieder canadisch herzlich, ich wurde wirklich erwartet, diesmal mit sämtlichen Privilegien. In dem neuen Haus, das damals eingeweiht wurde, bekam ich das beste Zimmer mit eigenem Bad, Wohnzimmer, Küche, Waschmaschine usw. zu dritt. So bequem wird es sicher beim Reisen nicht nicht mehr, hoffentlich schaffe ich den Absprung wie geplant. Jetzt pendle ich zwischen Arbeiten und Genießen, wenn ihr nichts lest, geht es mir gut. :-)
Meine Blumenbeete scheinen mich noch zu kennen. Das Unkraut springt mir direkt in die Arme. Die Canadier sind schon urig. Nun habe ich den Generalschlüssel und bin 3 Nächte der einzige Mitarbeiter in der Einrichtung. Der Notruf ist in mein Zimmer geschaltet. Bei Bedarf muss ich die Leitung anrufen und die Viertelstunde der Anreise überbrücken. Ganz selbstverständlich stehen überall am Pazifik in der Notfallmappe die Maßnahmen bei Erdbeben. Im März war das letzte kleinere. Mein Rentnerleben bisher bewährt sich scheinbar. Einige Bekannte meinten, ich sei völlig unverändert, andere finden mich sogar nach 3 Jahren jünger.

Nun habe ich 2 Tage gearbeitet und an den Außenanlagen sieht man schon, dass ich da bin. Das freut mich selbst am meisten. Ich werde auch sehr verwöhnt und habe schon eine Liste mit Einladungen. In einem Wohnzimmer hier hängt seit 3 Jahren ein Bild von mir. Samstags gibt es morgens brunch: gebratenen, dünnen Schinken, Rührei, Würstchen, Pfannkuchen mit Erdbeermus und Schlagsahne.... Das schmeckt wirklich alles gleichzeitig. Ich bemühe mich sehr, meinen Geburtstag zu verheimlichen, weil es das letztes Mal so ein anstrengender Wirbel war. Wahrscheinlich gelingt es mir nicht, Helmut fragte schon auf dem Boot danach und heute eine Patientin. Ich antworte dann völlig ausweichend, da riechen die natürlich Lunte.



Sonntag, 15. Mai 2016
Superurlaubsstimmung
14. Mai
Wieder mal ein ganz anderer Tag, heiß, entspannt und voller Überraschungen. Mit dem Tagesticket fuhr ich kreuz und quer an sämtliche Endstationen. Ich muss die Stadt nicht mehr erkunden, sondern kann meine Route vorausplanen. Neben den besonderen bekannten Stationen habe ich vieles ausprobiert und gestaunt. Während es bei euch regnete, war hier der Sand fast zu heiß zum Laufen. An einem Strand traf ich auf Krebsfänger, die mich gleich einbezogen. Eine Frau lud mich zum langen Spaziergang ein, wieder mal sich begegnen, Freude teilen und sich beim Abschied bedanken. Was es heißt, offen für den Moment zu sein, lerne ich immer noch, z. B. wenn am Gehweg dieser Spruch zu finden ist:



Gerade kam eine Neue in mein Zimmer, aus Hamburg, das gibt Gesprächsstoff.

Ist das ein komisches Pfingstfest. Die Läden und Banken sind geöffnet, manche Baustellen arbeiten, es gibt keinen Pfingstmontag, und eure Kälte kam über Nacht auch hier an. Umso besser war es wieder bei dem Gottesdienst und der Kaffeegemeinschaft danach. Heute Abend gehe ich zu einem Konzert bei Kerzenlicht, und der letzte Tag hier ist dann morgen sicher Museen gewidmet. Wenn das Essen zwischendurch nicht nach meinem Geschmack ist, habe ich wieder als Notration Banane und Snickers dabei. Unverändert! Man kann hier lernen, mit wenig zufrieden zu sein. Im Stadtgebiet gibt es eingezäunte Plätze mit Holzhochbeeten 1m x 1m. Darin pflanzen Bewohner Blumen oder Gemüse an.

Das Konzert war ein Taizeabend, sehr stimmungsvoll und unter Fremden für uns unvorstellbar familiär. Man konnte Torte und Tee mit zum Platz nehmen, einen Zettel mit Anliegen an einer Kerze am Kreuz verbrennen und sich persönlich segnen lassen. Der Pfarrer sagte zu mir auch noch etwas in deutsch. Heute ging ich dann in ein wissenschaftl. Museum, einige hundert Schüler waren sehr diszipliniert, die Lehrer haben noch Autorität. Das Schönste fand ich wieder per Zufall. Ganz oben unter dieser Kuppel ein riesiges Kino, sehr steil ansteigend, mit mehreren Projektoren fuhren riesige Bilder über die Kuppel, der Zuschauer war so einbezogen, als ob er einen Rundflug mache. Titel: Die Nationalparks Amerikas! Es war Superlative und schon die beste Vorbereitung für meine 2. Etappe.



1882 gründete Roosevelt den ersten Nationalpark der Welt (Yellowstone) mit den Worten: "Eine Nation hat ihren Wert nicht in dem was sie besitzt, sondern darin wie sie damit umgeht." Heute gibt es in Amerika 59, ich muss gut auswählen.
So, diese Woche hier übertraf alle meine Erwartungen, obwohl leider der Dreck und die Armut auch nicht zu übersehen waren. Morgen holt mich das befreundete Direktorenehepaar meiner Einrichtung ab. Dann ist erst mal Privatleben mit allen Extras dran.