Freitag, 25. Oktober 2013
Meine letzte Woche in einer fremden Welt
Kaum zu glauben, in einer Woche sehe ich manche von Euch und mein eigenes Bett wieder. Mein teuerstes Paket ist nach 7 Wochen dort angekommen, wie beruhigend. Gerade bin ich in meinem 6. amerikanischen Staat, Philadelphia liegt ja in Pennsylvania. Die 1 1/2 Tage hier waren eine Reise durch die USA-Geschichte, hier war die amerikanische Regierung, bevor sie um 1800 nach Washington verlegt wurde, hier hat man die Freiheit von England und das Ende der Sklaverei erkämpft. Vor allem das alte Rathaus mit dem Schreibtisch des ersten Präsidenten, George Washington, die Liberty Bell und viele Plätze in dieser Stadt sind lebendig erhaltene Zeitzeugen.



Ich sah wieder viel, heute mit sehr kaltem Wind. Sehr nett war das Häuschen von Betsy Ross, die die amerikanische Flagge erfunden und x-mal genäht hat. Die Symbolik der Flagge wurde der Aufhänger für die Nationalhymne. Hier steht auch das größte Rathaus der Welt.



Versehentlich geriet ich in einen Tempel der Freimaurer und machte eine Führung mit. Diese Welt ist mir fremd, aber der Prunk dort ist umwerfend. Wo haben die das Geld her, während die Löcher in den Straßen gefährlich tief werden?



Nachdem ich abgesichert hatte, dass ich gut zum Abflug nach Toronto komme, fahre ich heute über Nacht nach Boston weiter. Diese Fahrt hat über 2 Std. Aufenthalt mitten in NY, darauf freue ich mich. Die letzte Jugendherberge hatte erstmals einen Schlafsaal mit 28 Betten, da wollte ich auch keine 2. Nacht bleiben. In vielen Dingen sind die Amerikaner ganz schön verrückt und oft misstrauischer und ruppiger als ich es von Canada kenne.
Boston soll sehr schön sein, und zum Abschluss will ich ja noch ein bisschen das große Toronto erkunden. Also, auf zu frischen Taten....
Die Fahrt lief sehr gut im voll besetzten Bus. Wir fuhren in NY über den Flughafen ein, es war taghell, dann sah ich von Ferne schon das Empire State Building, noch ein langer Tunnel und schon mitten in Downtown.

25. Okt.
Nach der Ankunft ging hier wieder alles sehr gut ineinander, mein Zimmer ist sehr gemütlich. Boston ist weltweit mit der Anzahl seiner Studenten an 2. Stelle nach Paris, ziemlich groß und unübersichtlicher als NY, weil es wieder richtige Straßennamen hat. Ich hatte mich ganz schön an die faule Methode gewöhnt. Meine Fotorunde in Downtown war beeindruckend, aber auch lausig kalt. Von diesem Haus aus startete die Amerikanische Revolution zur Unabhängigkeit von England in den 1770ern.



Im Koffer habe ich zum Glück auch eine Winterabteilung. Am Hafen fand ich was ich schon die ganze Zeit suche: Whale watching in einem größeren Schiff, mit Innen- und Außenkabine. In Canada gab es immer nur die kleinen Schnellboote, in denen man sehr nass werden kann. Ich bin also morgen lange auf dem Atlantik, es ist das letzte Angebotswochenende vor dem Winter. Ab Sonntagmittag wird meine letzte größere Busfahrt sein, 17 Std. nach Toronto, D. rückt immer näher.

Wieder mal ganz toll gelaufen, knapp 5 Std. auf einem bequemen Schiff, strahlende Sonne und angenehmerer Wind als gestern. Ich konnte die ganze Zeit auf dem Deck sein und Seeluft genießen. Man fährt 1,5 Std. aufs offene Meer, dann wird der Motor über eine Stunde stillgelegt. Sieht einer einen schwarzen Rücken, brüllt er laut. Alle rennen in die Richtung (ca. 350), das schwankende Schiff bekommt noch mehr Schräglage, man sieht immer 2 Rücken aus dem Wasserwirbel aufragen, dann die Fontäne und zuletzt die Schwanzflosse. Das Schiff versucht parallel zu deren Schwimmrichtung zu fahren. Ein Bild zu machen ist fast unmöglich, nach mehreren Versuchen schaffte ich es doch. Wir sahen bestimmt 15, manchmal sicher dieselben. (Wenn Ihr das Bild sehr vergrößert, seht Ihr die weiße Schwanzflosse und dahinter den Rücken des Partners).



Dann kam wieder der übliche Stadtbummel, bis es dunkel wurde. Ich hatte hier entdeckt, was ich in Washington suchte - ein Kennedymuseum. Das Attentat war in meiner Kindheit das erste Beeindruckende aus der weiten Welt, ich wollte es aus amerikanischer Sicht sehen. Also klärte ich die umständliche Verbindung und mein Kofferproblem, um vor 12 am Greyhound zu sein. Nach einer schlechten Nacht (die heizen hier wie blöd) blieb ich vernünftigerweise liegen und genoss dann das Frühstücksbufett im Haus. Immer wenn ich eine Stadt ein wenig kannte, wechselte ich in den letzten Wochen in eine neue, das war etwas anstrengend. Nun sitze ich gemütlich im sonnigen Bus und fahre noch einmal auf Kanada zu.



Montag, 21. Oktober 2013
Washington DC - mit oder ohne Obama?
Die Menschen hier sind einfach sonderbar. Bei der Busfahrt vorhin schrieb ich den blog und sprach nur die letzten Minuten mit der Frau neben mir. Plötzlich drückte sie mir 40$ (25€) in die Hand und sagte, Volunteere sind wertvoll, man muss sie unterstützen. Als ich zuerst ablehnte, war sie fast beleidigt. Die Jugendherberge ist wieder sehr gemütlich und bietet das bisher beste Frühstück. Als ich heute bei warmem Sonnenschein Washington nach NY als nettes Städtchen ohne Wolkenkratzer erwanderte, habe ich gleich um einen eTag verlängert. Die Bauweise wirkt ein bisschen römisch, aber mit ganz viel Grün, eine Augenweide innen und außen.






Ich war sehr lange im Capitol und in der herrlichen Library of Congress, dem riesigen Bahnhof und in Parks. Am Capitol mussten wir alle Lebensmittel vor der Kontrollstation essen oder wegwerfen. Zum Glück wurde ich in der langen Zeit in Canada nicht gefilzt, hier fast an jeder Ecke. Auf dem Turm der antiken alten Poststation erklärte mir eine Lehrerin aus Heidelberg, dass aufgrund der amerikanischen Verschuldung und den Verhandlungen alle öffentlichen Gebäude, Nationalparks, Freiheitsstatue usw. in ganz Amerika seit 1. 10. geschlossen waren und genau bei meiner Ankunft in NY wieder öffneten. Da hätte ich beinahe ganz viel nicht gesehen, wieder eine gute Fügung. :-)

Und es wurde doch ein Tag mit Obama heute. Er kommt wohl ziemlich oft und auch gerade heute als ich länger ums weiße Haus schlich, weil mir jemand sagte, dienstags sei auch Besuchertag.



Das stimmte natürlich nicht, doch als ich hartnäckig alle Absperrungen umrundete, wurde es plötzlich sehr hektisch. Wir Fußgänger wurden von Polizisten zu Fuß, auf Rädern oder Pferden zurückgedrängt, quergestellte Polizeiautos blockierten die Straßen, Sirnengeheul und ein Hubschrauber in der Luft. Dann bogen sie um die Ecke: viele Polizeimotorräder, -autos, der Krankenwagen und die schwarzen Limousinen. 10 Minuten später das gleiche ohne Ambulanz, die nochmals eine Absicherung für den Präsidenten darstellt.



Man spürt hier im Gegensatz zu Canada oft Angst, Kontrolle und starre Autorität. Das Museum für amerikanische Geschichte macht vieles klar. Wann hatte dieses Volk keinen Krieg, keine Feinde oder Bedrohnungen. Jetzt kämpfen sie immer noch mit den Wunden von 2001 und mit ihrer immensen Verschuldung.
Vielleicht brauchen sie die emotionale Schlagseite, die Idole, Orden und Denkmäler. Ich habe am Mittag viele besucht, es ist schon bewegend, z. B. II Weltkrieg.



Am Rand des sehr schönen Parkes mit diesen Monumenten, vielen Museen und Regierungsgebäuden liegt ein einladender See. Die Krönung war zuletzt mein Besuch im Stadtteil Georgetown mit seiner verspielten europäischen Ausstrahlung, kleinen Läden und dem ältesten Haus Washingtons.



Morgen muss ich erst mal meinen Koffer irgendwo unterstellen, weil man im größten Weltbahnhof die Schließfächer abgeschafft hat, dann arbeite ich noch meine Wunschliste ab, bevor ich abends nach Philadelphia weiterfahre.



Mittwoch, 16. Oktober 2013
New York - die Summe amerikanischen Lebens
Bin ich vielleicht froh, dass ich nicht mit einer durchgeplanten Gruppe hier bin, falls es das überhaupt gegeben hätte. Man findet sich ganz gut zurecht durch die Straßenkaros, das sichere Manhatten pulsiert nur so vor Leben, vor allem nachts. Auch um die Jugendherberge waren um 22 Uhr noch sehr viele Leute (105 St aufwärts). Durch die Türsteher und Security fühlt man sich sicherer als in einem Dorf. Ich war wieder lange unterwegs, und am Schluss auf dem Rockefeller Center, das muss man nachts machen. Nach genauer Durchsuchung geht es zur 68. Etage, dann noch 2 Treppen zur letzten Plattform. Wer hier war, braucht keinen anderen Aussichtsturm mehr. Du schaust von da oben auf das Lichtermeer und kannst kaum glauben, dass darin ein Bett dir gehört. Und das in einer windstillen, lauen "Mainacht" mit der effektvollen frühen Dunkelheit.



Vancouver ist voll Melancholie, SF ist heimelig, aber NY ist bombastisch. Dass Menschen in ihrem kurzen Leben, mit ihrer kleinen Kraft und zeitlich festgelegten Denkweise so etwas erschaffen können. Meine lieben Canadier, das müsst ihr euch wirklich alle auch gönnen.



Heute morgen war ich lange im Central Park, mitten in Manhatten, eine Naturoase. Man sieht z. T. im Hintergrund die Skyliner, hat jedoch absolute Ruhe und eine Augenweide. Ich war auch zufrieden, dass ich den Führer besser verstand, ohne die anfängliche Anstrengung.



Danach eroberte ich nochmals gemütlich die Innenstadt. Ich fuhr nun doch auch noch im Empire State Building hoch, diesmal zur 102. Etage, es gibt eben doch immer noch eine Steigerung. (Dies war mit in meiner Kombikarte). Der Personalaufwand ist enorm, hier scheut man keine Kosten, um Gefahren auszuschalten. Bei der Leibesvisitation hätte ich mich fast ausziehen müssen, weil es immer piepte (canadischer Anhänger im Geldbeutel) :-) Oben hüllte uns ab und zu eine Wolke ein, aber es war warm und interessant. Dann wurde es ganz toll. Überall unzählige Menschen in Sommerkleidung, am Times Square (Broadway/42th St) war alles nach 23 Uhr taghell mit vielen Angeboten und Spaß. An sämtlichen Fassaden laufen Werbungen, Bilder, Nachrichten, alle Läden sind geöffnet, an den Baustellen wird gearbeitet, haufenweise kulturelle Angebote - hier könnte man die ganze Nacht sitzen und staunen.



Am dritten Tag fühle ich mich am Broadway schon ganz schön zuhause, an den gemütlichen Sitzecken an der 23. St z. B. hört man mitten im Rummel das Herz der Stadt schlagen. Über mehrere km trennt der Central Park Manhatten in Ost und West, d. h. jeder kann beim Einkaufen, nach der Arbeit oder zum Bahnhof schnell mal durch die grüne Lunge gehen. Ich lief und lief heute, sah das Rathaus (nicht mehr für Besucher zugänglich), sehr schöne Plätze mit Brunnen, die Wall St, in der man das Geld riechen kann, gemütlich kam ich in strahlender Sonne zu den Brücken, die ich beide begehen wollte. Die Manhatten Bridge bietet einen herrlichen Blick auf die Stadt, die Bucht, die Freiheitsstatue und auf ihre Schwester nebenan. Neben den Fußgängern rattert jede 2. Minute ein Zug vorbei, darüber rollen die Autos. Laut, aber beeindruckend.



Der Rückweg über die Brooklyn Bridge war eher romantisch, die Autos weit unter mir, dafür sehr viele Menschen: Maler, Artisten, ein Mann ließ seine Boa streicheln, ein Brautpaar, Hunde in Kinderwagen, Radler... Danach genoss ich noch den Park und die Weltmetropole. Die Atmosphäre, die Menschen in ihrer Hautfarbe und Emigrantenvielfalt, die Security überall und die Superlative in jeder Hinsicht lassen sich nicht beschreiben, man muss es erleben. Hier möchte ich gerne noch mehr Tage sein.
Am nächsten Morgen an der Fähre zur Freiheitsstatue wurde alles kontrolliert: Taschen, Jacken, Uhr, Gürtel, Geldbeutel, Camera alles musste in den Korb und durch den Scanner. Die Sicherheit erfordert viel Personal und Geld, man kann sie nur mit der amerikanischen Geschichte verstehen. Es ist gut, dass man auf der Insel zur Statue aufschaut, dann vergisst man das Menschengewühl. Ich verzichtete auf die endlose Schlange und neue Durchsuchung zur Besteigung und hörte die deutsche Beschreibung im Sonnenschein und Wellenklang. Diese Erläuterungen sind sehr bewegend, beschreiben die Not z. B. der Einwanderer, Hoffnungen, eine unendliche Symbolkraft dieser Statue, die auch 2001 aus dem Rauch ragte und stellen auch den Bezug zu unserem persönlichen Leben her. Tiefbewegt und stiller fuhr man zurück. Leider fiel der 2. Teil auf der Nachbarinsel, Ellis Island, wegen Restaurierungsarbeiten aus. Diese Insel war das Schicksal der Emigranten, hier wurden sie untersucht, aufgenommen oder zurückgeschickt.



Am Weg zurück zum Broadway ist der Ground Zero mit seiner ganz eigenen Stimmung. Ein Lücke mitten in den Büroskylinern, teilweise neue Türme, aber immer noch eine klaffende Baustelle mit vielen Hinweisen. Es gibt ein Museum mit Zeitzeugen und eine spezielle Gedenktafel direkt am Ort des Geschehens. Dazu muss man in einer unendlichen Schlange zur Durchsuchung und wird dann mit x Sicherheitsbeamten durch die Bauzäune geleitet. Mir reichte es außen, auch dort spürte man noch die Wunde und die Angst im Volk. Manche sehen es jetzt auch als Wallfahrtsort an, Amerikaner weinten.



Nun bekam ich noch ein Bild von einem, der drin war. Amerikaner verbinden viele Gedenkstätten mit fließendem Wasser, was ich eine sehr gute Inspiration finde. Auch hier stehen auf der Grundfläche der ehemaligen Türme 2 große Brunnen, deren Wasser ständig über die Steinwände mit den Namen der Opfer fließt.



Gegen Abend war mein einziger kleiner Regen, richtig fürs Museum. Auf der Fahrt dorthin muss ich eingeschlafen sein, der Busfahrer musste öfter "Mum" brüllen, denn ich blieb an der Endstation sitzen. Da musste ich zum Glück hin, doch das zeigt auch, wieviel Energie NY kostet und dass man einfach sicher ist. Zuletzt nahm ich an einer Führung vom Hostel durch Harlem teil, die mit einer Gospelaufführung von Schwarzen lautstark endete. Die New Yorker sind sehr stolz, dass Obama an ihrer Uni in Harlem Student war.