Dienstag, 8. Oktober 2013
Nochmals Tourist im größten Ausmaß
Als ich heute endgültig ging, kamen nicht nur mir die Tränen. Ein Leiter sagte zu mir, es sei wie wenn ich meine Familie verließe, und so fühle ich mich auch - nach wenigen Wochen. Ich glaube es selbst nicht. In den Abschiedskarten kam so viel rüber, was ich versucht habe weiterzugeben, während ich gleichzeitig die Beschenkte war. Morgen treffe ich nochmals die Bekannte hier, und am Freitag geht's erst mal 3 1/2 Tage ein Stück Richtung Deutschland nach Toronto.
Mein letzter ganzer Tag in V. war wie im Juli, jedoch mit leichtem Wind und früherer Dunkelheit. Wir liefen im Sonnenschein um den Stanleypark einen Bilderbuchweg an der Küste entlang. Diese Stadt ist an allen Ecken ein Traum, ich kann Euch endlich ein Bild zum Baumvergleich schicken. In USA im Redwood Forest gibt es noch dickere, die über 2000 Jahre alt sind, doch diese Tour war zeitlich nicht mehr drin. Jetzt muss ich den Rucksack für die Zugtage packen, der Koffer kommt in den Gepäckwagen.





15.September 2013
Nach 85 Stunden im Zug und 4500 km kam ich heute Morgen in Toronto an. Züge verhalten sich hier total anders als in D: maximal 80 km/h auf einfachen Schienen, oft sogar Schrittempo und Anhalten, um die endlosen Güterzüge vorbei zu lassen oder etwas umzukoppeln. Bei jeder Schranke wird oft gehupt, auch wenn jemand aus einem eisamen Haus winkt oder wenn wir wieder einsteigen sollten. Bei den wenigen Fahrgästen konnte ich mir eine kleine Wohnung einrichten - 4 Sitze ausgeklappt zum Liegen und gegenüber 2 zum Wachsein, besser hatte es keiner im Schlafwagen. Wer keine Zeit hat, fliegt auch im Inland schnell und billiger. Im Zug unterhält man sich, einer singt, ein anderer summt mit, ich wurde viel nach meinen Eindrücken gefragt und bekam wieder mal die passenden Ratschläge. Meine gute Reiseanleitung aus Kassel wurde bestaunt, und ein New Yorker gab mir noch Insidertipps. Mit seinen Eltern hatte ich so guten Kontakt im Speisewagen, dass sie mein Essen bezahlten und mich bei der nächsten Reise für eine Woche in ihr Haus am Meer in San Diego einluden - an der mexikanischen Grenze. Eine Frau brachte mir ein Glas Wein (mein erstes und letztes hier). Wir feierten Tanksgiving zusammen, das größte Familienfest nach Weihnachten in Nordamerika, mit dem traditionellen Truthahnessen. Jeder kannte das Bier vom Münchner Okoberfest, und ich lernte die Größenreihenfolge der Chinatowns hier: SF, Vancouver, NY, und dass der Goldrausch in Californien 50 Jahre früher als im Yukon herrschte. Beim Aufwachen sprang mir öfter ein vom Sonnen-aufgang beleuchteter See in die Augen, und in Ontario begann der Indian Summer, für den der Sommer leider zu trocken war. Die Weite war unermesslich, erst das fruchtbare British Columbia, als nur drittgrößte Provinz Canadas doch 4 mal so groß wie England, dann Alberta mit den herrlichen Rockies, Saskatchewan und Manitoba mit endlosen Kornfeldern und Ontario mit seinen 1000 Seen. Ich habe neu das Genießen gelernt.



In Toronto plante ich sinnvoll, damit ich kaum Zeit verliere und in NY nicht nachts ankomme. Die Traumlösung war anstrengend, aber herrlich. Nach zwei Stunden gings gleich mit dem Greyhound zu den Niagarafällen bei Sonne und über 20 Grad, ein Stück Himmel, schöner als im Sommerrummel.





Über Nacht fuhr dann der Bus nach NY, Ankunft 6.15. Die Stadt erwachte gerade im Lichtermeer, und nachdem ich zur Einstimmung 1 Std. den Broadway erlebte, hatte ich schnell die neue Währung, den Busplan (ich will oben sehen wo ich fahre) und das Hostel mit fast 700 Betten gefunden. Die Stadt pulsiert umwerfend, zum Glück kann ich mindestens bis Sonntag hier sein. Neben tausend Eindrücken für alle Sinne, fütterte einer im Kanalgitter neben mir 2 fette Ratten. Es ist alles da..., nun gehe ich auf Entdeckungstour, diesmal ohne Touristenbus.



Sonntag, 29. September 2013
Auch hier möchte ich nicht zum letzten Mal gewesen sein
Heute hatte es über 25 Grad, man sagt, es wären die schönsten Tage in diesem Jahr. Das cable-car Museum war sehr interessant, und vor der Tür fand ich 20 $, ca 13 €. Im Internet stand, dass die Gefängnisinsel Alcatraz für Tage ausgebucht ist. Das wäre das erste Mal, dass etwas nicht klappt. Also ließ ich meine 2. Stadttour ausfallen, sputete zur Fähre - dieselbe schlechte Nachricht auf einer Tafel. Ich glaube ja nicht mehr alles, seit der offiziellen Aussage, nach Alaska käme man nur per Schiff oder Flieger. Also ging ich zielstrebig am Samstagmittag durch zahllose Touristen zur Kasse und fragte kleinkaut nach einer Karte fürs Wochenende. Klar, wenn es mir morgen um 10 passen würde, wieviele ich denn bräuchte. Nun konnte ich gleich anderen, die traurig das Schild lasen, Mut machen.
Dann ging's mit Übewinderkraft den langen Berg hoch zur nächste Attraktion, einer steilen Blumenstraße mit 7 engen Haarnadelkurven für Autos und Fahrräder. Das geht nur mit vielen Lotsen.



Nun fuhr ich per Bus ans anderen Ende zum Ozean am Golden-Gate-Park.Wahnsinn, die Stadt und Brücke im Rücken, Dünen, langer Sandstrand und ein weites, blaues, Wellenmeer wie ich es nur von Dänemark kenne. Bis zu den Knien lief ich lange in der Brandung, manche waren auch im kalten Wasser.



Abends fuhr ich noch mit der U-bahn in einen empfohlenen Vorort, die Röhre verläuft einige Minuten unter dem Meeresboden. Leider wird es schon um 7 Uhr dunkel und mir fiel ein, dass ich noch was essen muss. Ich habe den Eindruck, alle Amerikaner gehen nachts auf die Straße, anders als in Vancouver. Die Mieten sind hier am teuersten in Amerika nach NY. Meinen letzten ganzen Tag hier habe ich voll genützt.

Am nächsten Morgen bei schönstem Sonnenschein ging's mit der Fähre zur Gefängnisinsel Alcatraz, Anziehungspunkt Nr. 1 mit über 1 Mill. Besuchern jährlich. In Kriegszeiten war es ein Beobachtuns- und Verteidigungsstützpunkt der Bucht, dann bis in die 60er das sicherste Gefängnis der USA. Nach Schließung aufgrund zu hoher Erhaltungskosten wurde es den Indianern für nur 19 Monate überlassen und dann zum heutigen naturgeschützten Gebiet und Museum. Nach weiterem Genießen mir lieb gewordener Plätze bin ich nun wieder im Bus. Eine Frau schwärmte: "...bald wieder meinen eigenen Hausschlüssel, mein eigenes Bad, mein eigenes Bett..." , ich weiß schon gar nicht mehr wie das ist. In Vancouver regnet es seit meiner Abreise, man heizt schon, und ich hatte Hochsommer. :-) Ich werde nun auch NY alleine machen, nach meinen Bedürfnissen. Dazu muss ich noch Tipps sammeln.



Um 7 heute Morgen hatte unser nagelneuer Bus einen Motorschaden. Der Fahrer versuchte erfolglos mit Tel.-Anleitung zu reparieren. Keiner der Leute meckert, man macht Spaß miteinander. Ein Ersatzbus kommt aus 350 km Entfernung, so werde ich nach Schließung meiner Juhe in V. ankommen. Mal sehen, ob ich wieder illegal rein komme. Ein Problem ist hier noch lange kein Problem, hoffentlich behalte ich diese Lebenseinstellung. Nach 3 Std. wurden die ersten unruhig, nach 5 Std. kam der Ersatzbus. Ich werde um 2 nachts in V. ankommen, das kenne ich ja schon. Wir werden uns die Nacht am Hauptbhf. um die Ohren hauen, bis um 6 morgens der erste Mensch aus der Juhe kommt. Der Bhf. war natürlich geschlossen, zum Glück gibt's um die Ecke einen durchgehend geöffneten Tim Horton. Erstaunlich, wieviele Leute dort mitten in der Nacht sind. Nun brauche ich aber wirklich bald mein Bett und den mich dort erwartenden Koffer.
Es hat lange gedauert, doch dann bekam ich ein Einzelzimmer ohne Aufpreis, weil ich so oft hier war. An einer Hauptstraße, mitten in der Stadt sah ich meine ersten Waschbären auf einer kleinen Grünfläche. Die 3 flüsterten länger miteinander und entschieden sich dann, langsam umzudrehen. Morgen fahre ich nochmals zu meiner Mary und habe die große Gästesuit wieder, aber ohne Internet. Dann kommen meine letzten 4 Tage an der Arbeitsstelle, gut dass das alles so eng beieinander liegt.
Gut erholt kam ich heute wieder hier an und wurde liebevoll erwartet. Die wenigen Tage möchte ich nochmals so richtig nützen und melde mich dann wieder aus Vancouver, bevor ich in den Zug gen Toronto steige. Am Montag machen sie hier eine große Abschiedsfeier für mich, mit dem Tenor, dass ich wieder kommen soll. Nun wiederholt sich Wilhelmsdorf im Kleinen, was ich mir nie vorstellen konnte.
Gerade komme ich von der Abschiedsfeier, es hätte nicht herzlicher und wertvoller sein können. Wir haben wirklich zusammen einen Wettlauf mit dem Wunsch anderen Gutes zu tun gemacht, und jeder hat gewonnen. Das verbindet ungemein und macht dankbar.



Mittwoch, 25. September 2013
Auf dem Weg zu einem besonderen Ziel - SF wie SuperFanthastic
Der ADAC beschreibt San Francisco so gemütlich, dass ich mich richtig auf 5 Tage Stadterwanderung freue. Beim Start am größten Bhf. Vancouvers leerte ein Asiate seinen 2. Koffer und stellte ihn in einer Ecke ab. Ich erklärte, dass er ihn mitnehmen müsse, damit der Bhf. nicht wegen Bombenverdacht abgeriegelt würde. Beim 3. Versuch verlor er sein süßes Lächeln und verstand. Brav transportiert er jetzt beide Koffer, hat mich aber nie mehr angelächelt. An der Grenze wurde er als einziger gefilzt, mit Fingerabdrücken usw. Es gefällt mir, dass die Züge hier ständig tuten, die Fähren heulen und jeder Greyhound bei Abfahrt hupen muss. Also habe ich es im Heim beim Kindereinsammeln doch richtig gemacht. Der 3-std. Aufenthalt im sonnigen Seattle war ein anderer Eindruck als vor 4 Monaten, ich staunte selbst über meinen gesammelten Erfahrungsschatz. Nun versuche ich mich neben meiner dicken Nachbarin etwas einzukuscheln - eine weitere Busnacht.
Nach viel Regen strahlender Sonnenschein kurz vor dem Ziel. Ich plante richtig, denn in Fairbanks hat es jetzt 2 und nachts -5 Grad. In Californien ist vieles anders: eine gewisse Hektik, weniger Menschen lächeln, endlose Obstplantagen wie mit dem Lineal gepflanzt, Maisfelder so weit das Auge reicht. Die Busse fahren in den Staaten auf dem Hwy übrigens immer auf der linkesten Spur und biegen auch nach links an extra Ausfahrten ab. So, nun mache ich mich erst mal stadtfein, soweit das nur mit einem Rucksackinhalt möglich ist.

Diese Inselstadt mit knapp 1 Mill. Einwohnern strahlt nur so vor Gemütlichkeit, blauem Himmel und Wasser, Blumen und vor allen am lauen Abend mit unzähligen Lichtern. Alles ist sehr individuell, auch die Straßen haben wieder richtige Namen, sind oft so steil wie in Rom und bieten nach der Kuppe Überraschungen. Die Nebel- und Windvorhersagen von Bekannten sind nicht eingetroffen. Nur auf der berühmtesten Brücke wehte es mir im offenen Touristenbus die Tempos aus der Jackentasche. Ja, ich verschaffte mir heute einen guten Überblick und weiß wo ich morgen Station mache. Gesehen haben muss man auch die Gefängnisinsel Alcatraz und die einmalige cable-car Betriebsstation.



Außer dem total ansprechenden Stadtpanorama gibt es auch sehr viel Kultur und Kunst, und ich habe für morgen ein Stadttour bei Nacht gebucht. Die Stimmung der Leute gleicht wieder Canada, und die Jugendherberge mitten im Herz hat pro Zimmer sogar eine Dusche und integriertes Frühstück. Dabei kostet sie nicht mehr als im Hotel nebenan der Parkplatz.

Das war wieder ein Bilderbuchtag. Ich erwischte einen Bus, in dem eine Schwarze die Erklärungen sehr spaßig machte, ich blieb gleich für 2 Rundfahrten. Nebel ist hier sehr oft im Sommer, September ist viel besser. Bei der Nachttour erzählte sie, dass sie sich an eine solch klare Nacht lange nicht erinnern kann. Die Stadt ist so schön, ein paar Insidertipps will ich noch verfolgen. Im Golden-Gate-Park stehen Statuen von Beethoven, Goethe und Schiller. Soviel habe ich noch nie über Erdbeben gehört, 1989 war das letzt größere, danach wurde z. B das Rathaus geschlossen und in 10-jähriger Bauzeit gesichert. Unter jeden Stützpfeiler kam eine Art Gummiisolierung, so dass Schwankungen in jeder Richtung abgefangen werden. In den nächsten 20 Jahren ist das nächste vorausgesagt, daher wurde die gleiche Methode 2012 an der Golden-Gate-Brücke beendet. Nachdem ich mehrmals darüber gefahren war, lief ich in der Mittagssonne in 40 Minuten zurück. Das ist ein historischer Akt mit tollem Panorama, störend ist nur der Autolärm auf 6 Spuren. Da öfter Selbstmordversuche passieren, sind mehrere Nottelefone zur letzten Rettung angebracht.



Die Nachtfahrt war dann besonders eindrucksvoll, Stimmung, Lichtermeer, laue Luft ...Die über 10 km lange Bay-Brücke ist viel heller beleuchtet und bietet einen umwerfenden Ausblick. Schade, dass sie so hinter ihrer gegenüberliegenden Schwester zurückstehen muss.



Einmal saß eine Frau aus Fairbanks neben mir - an meinem südlichsten Ziel jemand von meinem nördlichsten Aufenthalt, ein kleines Wunder.

Am heutigen Tag konnte man abends um 9 noch im T-shirt draußen sein, ein richtiger Julitag, an dem sich die Touristen fast auf die Füße traten. Ich stieß auf eine 3-std. Stadtführung hinter die Kulissen, wir machen morgen die andere Stadtseite. Nach einer Rathausbesichtigung fuhr ich endlich mit dem cable-car, sehr interessant. Ich sah die beliebten Gefährte immer proppenvoll und suchte mir eine Zeit, in der ich fast alleine war. Nachdem ich wieder lange an der Fisherman's Wharf den Abend genossen hatte, ging ich in ein einschlägiges Lokal, "The Stinking Rose". Solche Sachen entdeckt man bei Führungen. Das große Lokal war voll besetzt, roch schon verdächtig und war mit unzähligen Knoblauchknollen dekoriert. Ja, es gibt dort Knoblauch mit Beilagen, nicht umgekehrt, sogar Knoblaucheis - meine armen Mitbewohner. Auch morgen werde ich vieles entdecken, diese überschaubare Stadt kommt in meiner Wertung nun auf Platz 3: Hamburg - Vancouver - SF.