Samstag, 3. August 2013
Alaska - eine neue Welt
Hallo, Ihr Lieben im Süden, so habe ich mir die Welt hier nicht vorstellen können. Es ist so warm wie seit 20 Jahren nicht mehr, wird eigentlich nicht dunkel und alles klappt prima. Ein Bus ohne Stoßdämpfer und ein noch klapperiger Fahrer nahmen mich in Whitehorse an Bord, nachdem er mir sagte, ich könnte nicht mit zurückfahren. Ich stieg trotzdem ein, weil ich ja um die Flugmöglichkeit weiß. Auf abenteuerlichen Nebenstraßen ging es 7 Std. nach Dawson City im nördl. Canada, mit Goldminen für Touristen. 2 Paare aus Australien neben mir hauen sich die Welt in 6 Wochen um die Ohren und versuchen nun ihr Glück. Ich suche meine Schätze lieber in menschlichen Herzen, da habe ich viel mehr Erfolg. Beim Überholen hätten wir fast ein Elchpärchen gerammt, dann gab es stundenlang nichts mehr zu überholen. Die Einsamkeit hier ist unwahrscheinlich schön und überwältigend. Leider kann eine Kamera die Weite, die Grünschattierungen, die Spiegelungen und Höhenunterschiede nur begrenzt erfassen. Mir kam das alte Lied "I'm on the top of the world, looking down on creation" in den Sinn und tatsächlich, es kam eine Straße, die sich Top of the world nennt und nur von Ende Mai bis Ende Sept. geöffnet ist (Schnee). Das war landschaftl. die Krönung, aber nur mit Schotter, uneben und seitlichen Abgründen, auch nach der Grenze noch für Stunden.



Als alle Goldgierigen ausgestiegen waren, war ich mit dem Fahrer allein. Er zitterte neben mir, ich musste ihm ins Ohr brüllen, aber er fährt für die Firma im Monat 20 Tausend km. Mit einer kleinen Fähre ging es über den Yukon, der mit 20km/h gen Norden strömt und immer breiter wird, zur amerikanischen Grenze in den 49. Staat der USA.



Dort kam der Gegenbus aus Fairbanks. 13 Touristen fuhren mit meinem Bus zurück nach Canada, ich war mit dem neuen Fahrer wieder allein. Der ist ebenfalls pensioniert, fährt weil er Menschen kennen lernen will, ist total fitt, wir hatten 8 Std. lang eine Stimmung wie im alten Bonanzafilm. Wir hielten im bekanntesten Goldort, mit dem Namen Chicken. 7 Menschen wohnen hier, im Sommer kommen 30 Arbeiter in der Goldmine dazu. Total interessant, ihr könnt in Google nachlesen.



Er zeigte und erklärte mir sehr viel, wollte das deutsche und amerikansche Schulsystem, Kinderheim und seine Familie vergleichen, die Auflösung der DDR wissen usw. Wir klärten am Telefon meine Rückfahrt, juhu, ich kann 1 Woche hier bleiben. Er gab mir Tipps für die Gegend und beantwortete alle Fragen. Wenn er mich nicht verstand, fuhr er noch langsamer und sagte geduldig: "Bitte, sag es noch einmal." Auf die Frage, warum ich die weiten Reisen so alleine wage, erzählte ich ihm, was mir der Regenbogen vor meinem Flug bedeutete. Diesen Sinn soll er jetzt auch für ihn bekommen, meinte er bewegt. Plötzlich kam ein riesiger Baumfriedhof, und ich bekam die furchtbaren Waldbrände von 2007 erklärt. Das letzte Stück war wieder der Alaska-Highway in der Abendstimmung zwischen Schneebergen bis zu seinem Ende. Auf Bären am Straßenrand machte er mir keine Hoffnung. Morgen werde ich mit ihm die Tour in den Denali-Nationalpark machen, in dem auch der Mt. McKinley steht. Die Uhr wird hier nochmals um 1 Std. zurück gestellt, nun haben wir 10 Std. Zeitunterschied. Ich wurde direkt zur Jugendherberge gefahren und morgen dort abgeholt, was ich dem Reisebüro nicht verraten darf. Ein sehr netter Empfang folgte, im Hellen um Mitternacht. Heute konnte ich sogar im Bett scheiben (schnellstes Internet bisher), bevor ich mir nun US-Dollar und was zum Essen besorge. Es ist auch hier zu heiß zum Wandern, nicht zu fassen - und ich habe Handschuhe dabei.



Gerade war ich in einem Film über die Nordlichter, die in phänomenalen Farben hier an eisigen, klaren Wintertagen zu sehen sind. Dabei liegt über beiden Polen ein Lichtkreis wie ein Heiligenschein und wird an der Erdkrümmung sichtbar. Danach sah ich auch ein Eismuseum, in dem Eisblöcke zu Skulpturen geformt werden wie beim Steinmetz, nur alles in gefrorenem Zustand und mit aufwendiger Erhaltung.



Mittwoch, 31. Juli 2013
Traum oder Wirklichkeit
Mit diesen Bildern machte ich dann doch ein Nickerchen.





Plötzlich höre ich meinen Fotojungen laut träumen. Ich decke ihn wieder zu, er kuschelt sich ein. Sein Opa hat um Mitternacht noch fröhlich gesungen, zahnlos, aber schön. Der Fahrer fährt meines Erachtens etwas zu schnell für das, was man sieht, hoffentlich schläft er im dunklen, stillen Bus nicht ein. Die schmale Straße gleicht eher einem Balancierseil, ganz selten mal ein Kurvenschild oder ein Rotwild, das zum Bremsen zwingt. Der helle Horizotstreifen ist jetzt auf meiner rechten Seiten wir fahren wieder nach Westen. Jetzt ist es vor- und rückwärts etwa gleich weit nach D. Ich habe langsam ein Gefühl vom Ende der Welt und denke an meine deutschen Freunde und die Bekannten hier, die mich alle begleiten. Bei der dunklen endlosen Fahrbahn fällt mir eine Novelle ich glaube von Dürrenmatt ein, in der ein Zug immer schneller und tiefer ins Nichts fährt. Diese möchte ich mir gerne nächstes Jahr in Kassel bei einem Glas Glühwein vorlesen lassen. Viele finden meine Pläne ein Risiko, ich finde es eine tolle Freiheit. Nachdem ich das alles kennengelernt und gewagt habe, wird mein Leben sicher etwas verändert sein.
Die Jugendherberge hat Platz, ist gut und die Stadt schön übersichtlich. 2 Österreicher, die ich in den Bustagen nicht beachtete, sind auch hier gelandet. Morgen mache ich diese Supertour, die mir die Dänin im Mai empfohlen hat.








Dann habe ich 4 Stunden lang Alaska gebucht. Die wollten mir alle Flugzeug, 5 Tage Fähre usw. einreden. Nun wird es doch der Zug und Bus - Anchorage - Fairbanks und der Nationalpark dazwischen mit dem Mt. McKinley. Man muss sich einfach durchboxen. Jetzt habe ich meine Nachtruhe aber nötig.

1. AUGUST 2013
Der Ausflug hielt was er versprach. Strahlende Sonne, wenige Teilnehmer, verschiedenes Panorama aus dem Bus und dem historischen Zug auf der Goldgräberroute. Da stehst du auf der Aussichtsplattform zwischen den Abteilen, einige rufen immer wieder "that's crazy!", und es kommen einem gemeinsam die Tränen in der so unberührten Natur. Abends rief der Busfahrer mich aus und gab mir eine mail des Reisebüros von der großen Tour dernächsten Tage. Ich hatte vereinbart, mir dort die Übernachtungen vor Ort zu suchen. Sie hatten vergessen, mir zu sagen, dass wir kurz vor Mitternacht ankommen. Nun musste ich mir gerade per Skype in Fairbanks etwas suchen, war anstrengend, aber man wächst an seinen Herausforderungen. Nachdem ich heute schon ein bisschen Alaska geschnuppert habe, weiß ich was mich erwartet und freue mich.





Im Bus traf ich ein Paar aus Albstadt/Baden-Württ. Die waren so abweisend reserviert, dass mein Heimatgefühl kurz einfror. Übrigens fand ich in Canada und USA noch keine Toilette, für die man bezahlen muss. Hier versteht man die deutschen Pläne zur Privatisierung des Wassers natürlich nicht. Leider sieht man oft mehr tote Tannen als gesunde. Sie sehen aus wie total abgebrannt. Der Fahrer erklärte mir die Gründe: sehr alte bleiben einfach stehen, es ist sehr trocken und hat im Winter oft unter 40 Grad minus, dann gibt es vernichtende Käfer und Krankheiten, die im sehr kurzen Sommer wirken. Übrigens, die derzeitige Wärme ist eine Ausnahme. Meine Glückssträhne geht auch hier weiter. Fünf Dinge begleiten mich überall und verbinden mich dankbar mit den Gebern :-) : ein total praktischer Rucksack, eine ausreichende Wasserflasche, ein flauschiges, filziges Notiz- und Vokabelheft, ein großes Tuch, das immer wärmt und eine Freundschaftskarte für den Nachttisch. Nun werde ich mal wieder packen.



Sonntag, 28. Juli 2013
Es wird langsam kühler, einsamer und abenteuerlicher
Der Sonntag zeigte sich von seiner besten Seite. In meiner ersten Jugendherberge bekam ich mein früheres Zimmer und teile es wieder mit einer Studentin aus der Nähe von Kopenhagen. Meine beiden Bekannten aus der Kirche vor 9 Wochen freuten sich auch über ein Wiedersehen, die eine traf ich an einer Ampel, die andere gleich danach. Sie sagte mir, mein English sei schneller und besser, das war wie Schlagsahne. Ich bin da ziemlich unzufrieden mit mir und nehme mir keine Zeit für neue Vokabeln. Die Stadt wimmelt von Touristen, da hatte ich es im Mai toll bei meinen Rundgängen. Das Zentrum ist unterhöhlt von Einkaufsmeilen, und ich treffe 3 Bekannte wie im Schlaf, die Frau von gestern mitgerechnet. Heute bekam ich eine mail aus Schottland, auf meine Anfrage im Internet als Granny-au-pair in Großbritannien. Eine Engländerin mit deutschem Mann und 4 kleinen Kindern möchte, dass die Kinder durch mich besser deutsch lernen. Sie schreibt von einer schönen Insel mit tollen Badestränden. Die Zeit kann ich frei wählen. Ich glaube, mein Leben wird jetzt richtig interessant bleiben. So, nun gehe früh ins Bett, denn das nächste werde ich erst in 3 Tagen sehen.

WAHNSINN ! Ich sitze im sehr comfortablen, klimatisierten Bus Richtung Norden und habe die ersten 12 Stunden Internet. Inzwischen kommt nur noch grüne Landschaft durchs Fenster, ein bisschen wie in der Schweiz. Ich muss jetzt gut nach meinem ersten Bären suchen. Im Bus fand ich noch niemand, der so oft umsteigt und so weit fährt. Gerade läuft der große, grüne Fraser-Fluß vorbei. Kann die Welt immer so schön bleiben??



So, bevor ich jetzt für 12 Std. in den 4. Bus nach Whitehorse steige, ganz liebe Grüße aus einem Café in der Pampa. Ich komme mir viel weitgereister als mit dem Flieger vor, es sind richtige Linienbusse, fast wie mit dem Fahrrad. Genauso wie ich es wollte, supergemütlich, leider kein Bär, nur ein Riesenrehbock. Der erste Fahrer fuhr gleich 13 Stunden, von wegen Tachoscheibe. Es war ganz lange wie in der Schweiz, dann kam Steppe und endloser Wald, immer mit vielen Seen und Flüssen. Komisch, es wurde noch nicht kälter, aber schön einsam. Auf dem Alaska-Highway sieht man oft lange kein Auto, aber jeder Bus und Laster wird vom Fahrer mit Handzeichen begrüßt.



Diese Straße wurde unter extremen Bedingungen 1941 zur Verteidigung gegen die Japaner in 8 Monaten gebaut, 2400 km lang, was natürlich auch hier an Hitler erinnert. Gerade habe ich ein Geburtstagsgeschenk gefunden, das wird ein Volltreffer. Circa 10 Leute fahren mit mir jetzt weiter, nun muss ich einsteigen und aufpassen, dass ich nicht im Stehen einschlafe.





Das war vielleicht nochmals eine tolle Tour, bin ich froh, dass ich da Kreuzfahrtschiff und den Flieger verschmäht habe. In der Abendstimmung ging es wieder westlich in die Rockies. Der Fahrer fuhr wieder über 13 Std. allein, fröhlich, auch mal rückwärts zum Beobachten der Tiere. Liebe Hanne, und was fand ich gleich am Straßenrand? Diese Elchkuh konntest Du nicht in Schweden finden, weil sie weiß, dass das Gras hier besser schmeckt.



Kurz darauf graste eine Herde dieser Riesen friedlich am Seitenrand, ich sah bestimmt über 100.



Und dann - 2 Schwarzbären, die leider für meinen Foto zu schnell waren. Hier werde ich nie aussteigen, keine Sorge. Jetzt fehlen mir nur noch echte Grizzlies und Wölfe zum Glück. Ein 10-jähriger Junge war mit mir auf beiden Seiten des fast leeren Busses auf Fotojagd. Ein netter Kerl mit seinem Opa, der behauptete an meinem Englischakzent zu hören, dass ich aus D. komme. Ich hatte ganz vergessen, dass hier die weißen Nächte beginnen, toll. Nach einem farbenfrohen Sonnenuntergang blieb bis nach Mitternacht ein grün-bläulicher Himmel zum Lesen. Um 4.15 morgens kamen wir in Whitehorse an, sieht im Dunkeln wie im wilden Westen aus. Jetzt sitze ich in einem Tim Horton-Cafe, bevor ich mir in der Jugendherberge ein Bett suche, meinen Koffer und mich dusche, schlafe, den Ort erdkunde und weitere Planungen mache. (Der Koffer sieht aus wie nach einer Wüstenwanderung, so hat es in den Gepäckraum des Busses gestaubt.)
Laut meinem Plan habe ich von Vancouver aus 2.600 km zurückgelegt, am Ende werden es 4.400 an meinem Bergziel sein. Sicher werde ich später keine Entfernung mehr weit empfinden.



Jetzt muss ich einfach eine kleine Geschichte schreiben........