Sonntag, 7. Juli 2013
Überraschungen kommen immer plötzlich
Heute, Samstag, klopfte es 1 Stunde vor dem Aufstehen an meinen trailer, wie meine Wohnung auf Rädern hier genannt wird. Aus dem Tiefschlaf heraus dachte ich zuerst, vielleicht ist das endlich ein Bär. Aber statt des erwarteten Brummens kam die Stimme der ältesten Mitarbeiterin mit der Frage, ob ich schnell mit ihr in die USA fahren könne. Keine halbe Stunde später waren wir dort an einer Tankstelle. Sie fragte mich vieles übers Kinderheim und erzählte, welch tolle Dinge mich auf der Fahrt Richtung Alaska erwarten werden.
Nach der Rückkehr traf ich meine Indianerin beim Kisten packen. Wütend sagte sie:"Ich gehe jetzt und zwar für immer!" Keiner verstand genau warum, gestern hatte sie noch so mit uns gelacht. Sie wird mir sehr fehlen, wir müssen ihre Arbeitsbereiche auch umlegen. Pünktlich am Wochenende kam der Mann mit den Spenden aus dem Großhandel wieder. Er sucht immer mich und freut sich, wenn ich das Gesicht verziehe. Es bedeutete, dass der zweite Obstsalat in dieser Woche für mich fällig wurde. Nun werde ich mir erst mal eine Schokolade genehmigen und den Tag verdauen.

SONNTAGS muss ich oft mehrmals mit den Autos fahren, dabei hatte ich heute eine besondere Erkenntnis. Neues oder Wertvolles ist meist nur am Anfang sehr bedeutend. Sobald es Gewohnheit wird, gleitet es ab in die Selbstverständlichkeit und verliert an Wert. Das besondere Gefühl, dass ich HIER fahre, geht verloren. Ich möchte in meiner Ausnahmesituation mit unzähligen Besonderheiten lernen, dass alles seine Einmaligkeit behalten kann, wenn ich es bewusst dankbar im jeweiligen Moment erlebe oder mache. Nun habe ich auch kostenlos täglich meine Sauna. Ich weiß gar nicht, warum der tagsüber aufgeheizte Wohnwagen nachts so lausig kalt wird, inzwischen schlafe ich unter 3 Decken - gute Nacht!

Der nächste Tag war nicht das Gelbe vom Ei. Zwei Frauen waren über Nacht wieder endgültig entwichen. Eine war besonders überzeugt hier und oft bei der Arbeit meine rechte Hand. Seit ich hier bin, warfen schon 5 das Handtuch. Es ist sehr frustrierend, wenn die Sucht über das freie Leben siegt. Diese Erfahrung schlaucht die Mitarbeiter auf die Dauer sehr. Bin ich froh, dass ich nur den emotionalen Teil davon habe, und schließlich wartet auch Alaska auf mich. Vorher muss ich noch meine Halsentzündung los werden, mit Aspirin, Tee, Eis und Gurgeln mit Backpulver, was anderes habe ich noch nicht. Hier wird es gegen Abend schon herbstlich kühl. In meiner Behausung bläst dann der Wind durch alle Löcher. Manchmal höre ich auch Mäuslein tapsen, zum Glück noch keine große Spinne - Abenteuerurlaub! Diesen Blick habe ich, wenn ich morgens aufstehe.

Für morgen habe ich eine Einladung zu den White Rocks, eine weiße Felsenküste am Meer, nicht weit entfernt. Es soll wieder ein kleiner Dank für meinen Einsatz sein. Ich werde immer wieder für gute Organisation gelobt, wo ich das wohl gelernt habe? Leider reicht diese Fähigkeit für meinen Flugkoffer nicht aus. Ich werde ein Paket vorausschicken müssen, so vieles bekomme ich geschenkt, bzw. sammle ich.



Mittwoch, 3. Juli 2013
Camping, mal ganz anders
Hier ist man vor keiner Überraschung sicher. Ich sollte spontan in den Wohnwagen vor dem Haus umziehen, weil eine neue Bewohnerin kam.

Erst sträubte ich mich, doch gegen Abend schätzte ich schon mein breites, härteres Bett und die verschiedenen Lebensbereiche darin, sogar mit Badewanne, doch mein schönes Bad im Haus werde ich nicht aufgeben.
Hier mein Schlafgemach

Und wenn ich mich umdrehe sieht es so aus

Vor meiner Tür auf der grünen Wiese sind unsere Kühe und vier Lamas. Nun werde ich 3 Wochen tags arbeiten und nachts Campingurlaub machen. Das Tollste ist die Internetverbindung im Bett und nicht mehr auf der Kloschüssel. Es geht mir also immer noch sehr gut, obwohl ich manchmal ein schlechtes Gewissen habe. Während ich jetzt hier mit der Himbeerenernte beginne, Gießanlagen bediene und vieles andere mache, beschäftige ich in D. fünf liebe Menschen, die das verwalten, was ich zurückließ. An dieser Stelle nochmals ein ganz herzliches Dankeschön an Euch Lieben. Lasst uns froh 24 Stunden den Sommer genießen, mit unserem abwechselnden Schlafrhythmus geht das genau auf. :-)
DONNERSTAG: Heute fiel ich mal wieder so richtig auf. Ich musste 3 Stunden beim Zahnarzt warten, damit eine Frau nach der langen Behandlung nicht weg läuft. (PS: Leider ist sie dann um Mitternacht wirklich für immer abgehauen). Meine gepflückten Erbsen mussten aber auch aus der Schale und zum Dinner gekocht werden. Also saß ich mit meinen 3 Eimern im Wartezimmer. Vielleicht denken die jetzt, das mache man in D. so. Abends kamen dann fast 200 überreife Feigen als Spende an. Ich kenne schon den Ablauf und erledige so was schnell: säubern, einfrieren und fast aus allem bei Gelegenheit Muffins backen. Heute ist der Nationalfeiertag der USA. Das Feuerwerk gleich hinter der Grenze ging gestern 1 Stunde und wird heute nochmals sein. Leider versperrt der Wald die Sicht. Die Größe der beiden Nachbarländer ist unvorstellbar. Dabei fühle ich mich nicht weit von D. entfernt, weil ich so viele liebe e-mails bekomme und im Camper mein Schwabenradio wie zuhause klingt. Wahrscheinlich schreibe ich auch den blog so gerne, weil es fast die einzige Möglichkeit ist, mein Deutsch zu praktizieren. Gerade war der Director hier und brachte eine Bekannte mit, die mit mir deutsch sprechen wollte. Ihr Sohn ist in Freiburg verheiratet. Er hörte uns zu und sagte dann stolpernd:"Menschenskind, ihr beide sucht euch eine Gaststätte aus, unterhaltet euch, und ich bezahle." Vorher hat er mein Tun hier gelobt, also ich bin dankbar zufrieden, wie eh und je.



Samstag, 29. Juni 2013
1. Juli / Canada-Tag / Unabhängigkeit
Dieser Tag wird hier sehr groß gefeiert. Wir fahren alle nach Vancouver und feiern mit. Endlich wieder meine Stadt mit chinesischen Düften, Wasser, Bergen und .. mal sehen was mich erwartet. Jetzt fangen die Wochen an so richtig zu verfliegen, das gefällt mir gar nicht. Heute baute ich Möbel im neuen Büro mit einer älteren Missionarin zusammen, klappte prima, wir hatten viel Spaß. Ich hatte ab Mittag wieder alleine Dienst und blieb abends länger, was die Frauen lobend erwähnten und mich gleich mit netten Dingen beschenkten. Es ist so schön meine Praktikantenzeit nach fast 40 Jahren zu wiederholen, fast unter den gleichen Umständen und mit ähnlichen Gefühlen.
Wir haben jetzt richtiges Sommerwetter, was ich Euch auch wünsche. Nun weiß ich warum ich immer wieder auf den 2. Weltkrieg angesprochen werde. Die Canadier mussten mit den Engländern (Commonwealth) gegen Hitler kämpfen und verloren viele Soldaten, was Kriegerdenkmale oft zeigen. Das kennen viele nur von D. Überall wird wegen des Festes nun die Nationalhymne gesungen, und ich schmettere mit. Es ist beeindruckend wie dabei die Augen der Leute glänzen, auch mal mit Tränen. Sie lieben ihr Land, mit der unendlichen Natur und den total verschiedenen Erscheinungsformen. Mein British Columbien ist eine der größten, fruchtbarsten und schönsten Provinzen. Der Text der Hymne erinnert logischerweise an England, hier die verkürzte Form:
"O Canada! Our home and native land! True patriot love in all thy sons command. With glowing hearts we see thee rise, The True North strong and free! From far and wide, O Canada, we stand on guard for thee. God keep our land glorious and free! O Canada, we stand on guard for thee."

Es ist jetzt genau Mitternacht nach einem wunderschönen Sonnentag. Morgens um 7 Uhr trafen sich die Anwohner an allen Ecken des Landes, dankten für ihre Heimat, sangen und wanderten ein Stückchen. Wir haben nur 20 Minuten zur USA-Grenze und begannen dort. In Vancouver waren wahrscheinlich alle Menschen und die meisten Autos auf den Straßen. Die meisten in rot /weiß wie die Flagge, das gab mein Koffer nicht her. Es war wie wenn D. am Endspiel an der WM teilnimmt: überall Flaggen, Paraden, Treffen, Singen und Jubel. Wir waren mittags am Pazifik, es war wie in Rimini. Nach wenigen heißen Tagen war das Wasser erstaunlich warm ohne Golfstrom, mit netten Wellen und so wenig Salz wie die Ostsee. Nun freue ich mich wirklich auf meinen Strandurlaub Ende Juli als Auftakt Richtung Alaska. Abends waren wir in der Olympiaarena bei einem christlichen Dankkonzert, sehr laut und lebhaft, wie immer hier. Auch ziemlich kalt, alle öffentlichen Räume werden stark gekühlt. In der Pizzeria wurden wieder kalte Getränke und Kaffee umsonst laufend erneuert, bis man verneint. Das Feuerwerk am späten Abend ließen wir aus, meines Ende Juli wird noch größer werden. Gut, dass ich diesen Tag in meinen 6 Monaten auch mitnehmen konnte.