Samstag, 25. Mai 2013
Vancouver-Island - Pazifik - Victoria
Ich staune am Abend oft, dass sich der gestrige Tag doch noch toppen lässt. Wir waren 24 internationale Touris mit einem fröhlichen Fahrer, der rührend besorgt war, super informierte und über seine eigenen Witze lachte.

Dies steht als Exot am Straßenrand, wohl von einem reichen Europäer :-)
Wenn ich alleine auftauche staunen die Menschen zuerst, dann beneiden sie mich um meine lange Zeit hier und geben mir so viele Superausflugsziele, dass ich nicht mehr zum Arbeiten kommen würde. Natürlich merke ich mir alles. Es waren 2 schottische Schwestern dabei, eine wohnt in Ottawa und will sich meinen blog übersetzen lassen, nachdem sie mir lange von San Francisco vorschwärmte. Auf der Fähre war es paradiesisch. Sonne wie noch nie, windstill und auf dem 7. Deck Liegestühle.

Die knapp zweistündige Fahrt geht erst übers offene Meer und dann zwischen vielen bewaldeten Inseln durch und legt 10 km vor Victoria an.

Die Stadt hat ein nettes Hafenambiente, keine Bettler oder kaputte Leute fielen mir auf, alles sehr übersichtlich. Regierungsgebäude mit Königin Victoria
Ich bin froh, dass ich die Stelle auf der Insel nicht angenommen habe, man ist total vom Schuss. Zufällig kam ich in eine Kirche, in der ein Paar mit Violine und Klavier gekonnt Bach und eigene Variationen spielte. So schön habe ich das Lied "Schönster Herr Jesu" noch nie gehört. Es war gleich wie mittags im Hamburger Michel. Dann waren wir noch auf einer Art Insel Mainau (zum Nachschauen: www.butchartgardens.com). Die Rückfahrt war wieder genauso super mit Sonnenuntergang. Leider mussten wir vor dem totalen Rot aussteigen. Am Montag möchte ich eine kleinere Fähre an der Ostküste nehmen. Wieder in V. war wie nach Hause kommen. Das Schönste sind die Berge um das Meer herum. In meinem Zimmer sind jetzt eine Dänin, eine Berlinerin, eine von Montreal. Ganz nett, wenn wir uns mal sehen. Also, Ihr braucht Euch wirklich keine Sorgen um mich zu machen, ich bin vorsichtig und dankbar und glaube, dass ich mit dieser Reise wieder mal richtig geführt wurde und weiter vertrauen darf. Zum Arbeiten habe ich eigentlich keine richtige Lust, aber ich bin für alles offen, muss ja auch wieder vielseitiger essen und den Koffer mal für eine Weile auspacken. Liebe Grüße!

PS.: Heute regnet es schon Stunden, bin ich froh für gestern. Es soll hier noch viel mehr regnen als in London. Beim Aufwachen habe ich mich kurz mit der Berlinerin in englisch unterhalten, bis wir beide es lachend merkten. Nicht schlecht!

SAMSTAGMITTAG: Ich weiß ja auch nicht, warum es mir immer so gut geht.
Als ich los ging, kam langsam die Sonne und der blaue Himmel. Es war eine sehr persönliche Führung von der Studentin, mit einem Paar aus Hongkong und mir, statt 2 sogar 3 Stunden. Sie erzählte sehr viel Historisches und zeigte manches von innen. Ich werde dies später nochmals machen, wenn ich mehr verstehe. Auch der Vorfahre von V. brannte schon mal ab, nur ein Haus überlebte. Ich sah auch folgenden Vers an einer Glaswand, der sich über 20 Etagen wiederholte, und den ich als Motto mit an meinen Arbeitsplatz mit problembeladenen Menschen nehmen möchte: "The clouds looked no nearer than when I was lying on the street."



Mittwoch, 22. Mai 2013
USA - kein Problem !
Schade, gerade hat es mir meinen langen Bericht wieder rausgehauen, also nochmals. Der Tag in Seattle war sehr schön, aber ganz anders. Das Einchecken am Zug dauert so lange wie am Flughafen. Die Zollbeamten staunen immer, wenn ich angebe, dass ich alleine reise und bis ende Okt. bleibe. Die Amerikaner sind entgegen aller Vorwarnungen genauso nett wie die Canader, nur an der Grenze fühlt man sich kurz wie in der Ex-DDR. Die USA muss sich besonders schützen. In diesen großen Ländern rast man nicht durch wie in D, sondern die Diesellok fuhr mit 60 bis 100 km meistens direkt am Pazifik entlang. Die Lok hupt endlos: an Schranken, Bahnhöfen, Siedlungen, auch nachts. Das hätte ich mir auch mit meinem Heimbus gewünscht. :-) Dann folgte mein eingeübtes Ritual: Geld in der richtige Währung besorgen, Stadtplan, Kaffee, WC. Letzteres heißt übrigens in England loo, in Canada washroom, in USA bathroom. Die Stadt ist ganz romantisch: Prunkbahnhof wie ein Barockschloss
endlose Ahornalleen, Blumenkörbe sogar an den Ampeln, viele nette Kleinigkeiten wie z. B. ein Fischmarkt mit riesigen Meerestieren,z.T. schon gekocht.

Ich traf auch Deutsche, 2 wieder aus Stuttgart und 2 Römer. Mit uns machte ein Führer viel Spaß in der Unterwelt. Seattle wurde im Goldrausch schnell aufgebaut und brannte 1881 total ab. Auf die alten Fundamente wurden Straßen und der neue Stadtkern gebaut. So entstand darunter Geschichte zum Anfassen. Ich erkundigte mich auch nach den Indianern. Von Canada weiß ich, dass die Regierung jeder Familie in den Reservaten ein Haus, freie Schulbildung, km-Geld für Arztfahrten u. Ä., und freies Jagen und Angeln zur Verfügung stellt. Die meisten können es nicht nützen, haben ihre Identität verloren, hängen nur rum, oft abhängig und nützen jetzt den Staat aus. Wohl eine logische Folge. Man ist hier froh, dass sie nicht jagen, sonst wären manche Tiere ausgestorben.
Ich bin froh für dieses Haus hier, von da ist alles so gut zu erreichen. Ich gehe los, schlaft Ihr gut.

DONNERSTAG: Langsam fühle ich mich nicht mehr so als Tourist. Ich gehe ohne Stadtplan, steuere die besten Plätze direkt an, konnte schon jemand den Weg zeigen, drücke die Umgangsförmlichkeiten im gleichen Tonfall aus und muss nicht mehr so viel fragen. Das Essen ist ziemlich fremd, die meisten essen aus der Hand,alles schmeckt ähnlich asiatisch. Am ähnlichsten zu D schmeckt der Blätterteig, leidert ähnelt die Schlagsahne darin unserem Mohrenkopfinhalt. Dunkles Brot ist nicht zu finden, die Frühstücksbrötchen sind wie schwäbische Dampfnudeln. Den besten Salat bekommt man am Buffet im Supermarkt, am nahen Strand wird es ein Genuss. Heute traf ich einen Heidelberger, er ist seit 2 Jahren hier und will nicht mehr zurück. Für morgen habe ich eine lange Tour auf die Insel nach Victoria gebucht. Dazu wird man sogar vor der Tür abgeholt. Meine erste organisierte Reise zum Genießen. Am Samstag mache ich eine Stadtführung zu Fuß mit, mal sehen, ob die mir noch was Neues zeigen können. Sonntag treffe ich mich wieder mit den beiden Frauen und darf mir Ziele wünschen. Jetzt scheint die Sonne, ich gehe mit dem Vokabelheft an den Strand während Ihr schon tief schlaft.

Nun habe ich meinen Lieblingsplatz in dieser Stadt fest, komisch es war schon am ersten Tag meine erste Stelle am Strand:weitläufiger engl. Rasen, Sandstrand mit angeschwemmten Baumstämmen, kleine sich kräuselnde Wellen, hinter mir ein Stadtteil, überm Wasser der andere, dazwischen starten die Wasserflugzeuge zur Insel, Schiffe, Boote, Bademöglichkeit, Stille....Ich entdeckte ein Schild: als um 1880 vor der Stadtgründung die Häuschen der Indianer hier standen, nannten sie diesen Ort Lucklucky :-) . Das Besondere der Stadt ist, dass man in jeder Richtung in max. einer 1/2 Stunde Fußweg am Wasser ist. Und diese 1/2 Std. ist wunderschön, zuerst im Schutz der Hochhäuser und ihrem vielseitigen Leben, dann über englischen Parkrasen, am Straßenrand richtige Hecken von blühendem gelbem Ginster oder knallrotem Rhododendron. Ampeln sind sehr übersichtlich, auch wenn man sich über die 4-spurigen Straßen sputen muß. Autofahrer lächeln und haben auch mal eine Kaffeetasse in der Hand.



Montag, 20. Mai 2013
Wieder ein ganz besonderer Tag
Heute wollte ich mal nichts schreiben, doch dazu war der Tag zu schön. Nach dem Gottesdienst in einer vollen Freikirche lud mich eine gleichaltrige Engländerin, die schon lange hier lebt, ein. Die Tochter ihrer Freundin kam noch dazu. Wir hatten eine sehr lustige Zeit miteinander. Ich stellte 100 Fragen und bekam 200 beantwortet, weil sie noch vieles für mich wichtig fanden. Dann nahm mich die Ältere noch mit nach Hause zum Tee auf dem Sonnenbalkon. Sie wohne in der Nähe bedeutete einen Fußmarsch von über einer Stunde. Wir wollen uns nächsten Sonntag wieder treffen. Ich werde in beide Gottesdienste gehen, die Wiederholung tut meinem Englisch gut. Es war schön, daß mich beide für meine Vorhaben und meine Sprache lobten. Naja, mir fehlen schon noch viele Worte, aber ich werde verstanden. Also, die Arbeitslosigkeit hier ist nicht höher als in norddeutschen Städten, nur meine Jugendherberge liegt im sozialen Brennpunkt. Bei der Olympiade vor 3 Jahren wurden sämtliche Nichtsesshafte und Abhängige an diesen Rand von Chinatown verlegt. Es wird vieles angeboten, doch die meisten wollen nicht. Ich lernte noch mehr von der Gegend kennen, V. rühmt sich zu recht als grüne Stadt, die jedoch auch in Abständen Erdbeben hat. Die Hochhäuser sind durch spezielle Fundamente geschützt. Die Einheimischen müssen ein Notpaket in der Wohnung haben mit Wasser, Decke, Verbandszeug, Lunchpaket....Wenn man mit dem Zug nach USA geht braucht man keine ESTA-Genehmigung. So werde ich bald einen Tagesausflug nach Seattle machen. Nach einem netten Telefonat mit meinem neuen Boss verzichtet er auf einen Besuch vor meinem Beginn, so habe noch viel Zeit. Übrigens ist das Leben hier für unseren Wechselkurs billig: ein Haarschnitt 6, Frühstück mit 2 großen Tassen Kaffee, 1 Glas Tee und Brötchen knapp 4 und eine Zugfahrt auch nur wenige €. Es war heute wieder strahlende Sonne am Wasser. Ich wünsche Euch Freunden, allen die an meinen Nachrichten interessiert sind und meinem Chor auch ein sommererfülltes Deutschland. Mir geht es so richtig gut!