Alltag mit Canadiern
17. Mai
Wartezeiten nütze ich, um mir Informationen zu holen. Jetzt ist mir klar, warum gerade hier so viele kaputte Menschen leben, ohne Touristen oder Einwohner zu belästigen. Sie sammeln sich von ganz Canada in V., weil hier der mildeste Winter ist und man auch auf der Straße überleben kann. Drogen sind erlaubt, wenn nicht gehandelt wird, dementsprechend kaputt sind sie auch. Neben der Polizei achten die Betroffenen selbst aufeinander, um kein zeitlich begrenztes Drogenverbot zu riskieren. Die Ballung war sinnvoll zur besseren Kontrolle und für Hilfsorganisationen. Damit mein Informant sicher sein konnte, dass ich dalles verstanden hätte, sagte er noch: " Keiner pupst in sein eigenes Bett. Wenn ein Betroffener kriminell sein will, geht er nach außerhalb."

Wow, das war wieder ein Tag. Beim herzlichen Wiedersehen wurde mir gesagt, jetzt wäre ich unter ihrem Schutz und solle mich so richtig zuhause fühlen. Das ist nicht schwer, kurz drauf waren wir schon auf dem Motorboot mit Picknick an einer sonnigen Anlegestelle. Abends holte Helmut ausgerechnet mein Lieblingsspiel Scrabble hervor, zum Glück bin ich auch in English ein froher Verlierer. Nun falle ich aber in einem wunderschönen Zimmer in mein wieder mal sehr großes Bett.

Heute war es genauso schön. Ich bin einfach Teil der Familie, auch mit Kindern und Enkeln. Alle bemühen sich, dass es mir gut geht. Dazwischen arbeite ich ein bisschen im Garten, da kann man gut reflektieren. Als ich heute sagte, es falle mir bestimmt schwer, später zu sagen, was der schönste Tag war, kam die Antwort: "Warte ab, es kommt noch mehr." Hoffentlich verkrafte ich das alles gut. Hier gibt es vielleicht tolle Vögel, z.B. diese.



20. Mai
Nachdem ich nun wörtlich als Familienmitglied akzeptiert bin und immer wieder kommen kann, brachte mich Helmut heute Abend an meinen Volunteerplatz. Der Empfang war wieder canadisch herzlich, ich wurde wirklich erwartet, diesmal mit sämtlichen Privilegien. In dem neuen Haus, das damals eingeweiht wurde, bekam ich das beste Zimmer mit eigenem Bad, Wohnzimmer, Küche, Waschmaschine usw. zu dritt. So bequem wird es sicher beim Reisen nicht nicht mehr, hoffentlich schaffe ich den Absprung wie geplant. Jetzt pendle ich zwischen Arbeiten und Genießen, wenn ihr nichts lest, geht es mir gut. :-)
Meine Blumenbeete scheinen mich noch zu kennen. Das Unkraut springt mir direkt in die Arme. Die Canadier sind schon urig. Nun habe ich den Generalschlüssel und bin 3 Nächte der einzige Mitarbeiter in der Einrichtung. Der Notruf ist in mein Zimmer geschaltet. Bei Bedarf muss ich die Leitung anrufen und die Viertelstunde der Anreise überbrücken. Ganz selbstverständlich stehen überall am Pazifik in der Notfallmappe die Maßnahmen bei Erdbeben. Im März war das letzte kleinere. Mein Rentnerleben bisher bewährt sich scheinbar. Einige Bekannte meinten, ich sei völlig unverändert, andere finden mich sogar nach 3 Jahren jünger.

Nun habe ich 2 Tage gearbeitet und an den Außenanlagen sieht man schon, dass ich da bin. Das freut mich selbst am meisten. Ich werde auch sehr verwöhnt und habe schon eine Liste mit Einladungen. In einem Wohnzimmer hier hängt seit 3 Jahren ein Bild von mir. Samstags gibt es morgens brunch: gebratenen, dünnen Schinken, Rührei, Würstchen, Pfannkuchen mit Erdbeermus und Schlagsahne.... Das schmeckt wirklich alles gleichzeitig. Ich bemühe mich sehr, meinen Geburtstag zu verheimlichen, weil es das letztes Mal so ein anstrengender Wirbel war. Wahrscheinlich gelingt es mir nicht, Helmut fragte schon auf dem Boot danach und heute eine Patientin. Ich antworte dann völlig ausweichend, da riechen die natürlich Lunte.