Neue Herausforderungen
Hurra, meine erste Waschmaschine nach 3 Wochen. Mein einsamer Schlafanzug hat sich vielleicht gefreut. (Flugzeug, 20 kg).
Gestern war ich bei einer Geburtstagsfeier, es wurde auch laut diskutiert, dass ich die Nächste bin. Sie gehen mit Geburtstagen besonders wertvoll um, hoffentlich muss ich nicht heulen. Ich fühle mich doch gerade wie 30. Es klingt niedlich, wenn man mich hier Hildiiii ruft, mit dem englischen e. Als ich gerade dreckig in meiner Rhabarberernte stand, sagte jemand hinter mir:"Ist die nicht süß?" Nun teilt meine canadische Wahlschwester auch noch ihr Auto mit mir. Manchmal beschämt mich das Vertrauen hier fast. Nachher lernt sie mir mit den Automatikvans zu fahren, damit ich bei Ausflügen hinterherfahren kann. Als ich vorher ins Büro gerufen wurde, überlegte ich, ob ich etwas falsch gemacht hätte, denn ich kenne noch längst nicht alle Regeln. Mir wurde ein Terminkalender gegeben, einzelne Tage mit Aufgaben mit den Frauen und halbe Tage, an denen auch auch mal alleine arbeite. Die Gruppe ist gerade sehr kooperativ. Manchmal fühle ich mich wie ein Pferd, das eine Schranke nach der anderen überspringt. Dann schlagen meine Gefühle auch mal Purzzelbäume, einerseits mache ich gerade das beste Praktikum meines Lebens, andererseits wartet meine abwechslungsreiche Ruhephase in D auf mich. Keine Angst, mein Rückflug ist gebucht. Aber so hätte ich es mir nie vorstellen können. Wieviel Eure Zuwendungen zuhause hier ausmachen ist bestimmt auch enorm. Danke!!!

MITTWOCH: Nun bin ich eine Woche hier, kenne fast 40 Leute näher und mache eine neue Erfahrung nach der andern. Ich habe nie vorher auf einer Wiese 1 Stunde Zumba getanzt. Mein nächstes Auto wird sicher ein Automatik sein, das ist ja so angenehm. Ich bedauere fast, dass ich manche von Euch nicht früher ernst genommen habe, z.B. Dich, Joanna. In D. wünschte ich mir eine kleine canadische Familie und jetzt bin ich in eine pulsierende Lebensgemeinschaft integriert, fahre mit 3 Autos rum und darf alles auch für mich nutzen. Zwei Frauen, deren Mütter schon starben, haben mich als Mutter adoptiert und eine jüngere als Oma. Wir lachen oft, z.B. als ich die Indianerin statt nach einer Schubkarre nach einem Rollstuhl fragte, hat sie sich vor Lachen gebogen.

Eine mir sehr zugewandte Kollegin und ich beim praktischen Ausgleich

Mein Küchenproblem konnte ich klären, ich helfe anderen und sie helfen mir. Der Unterschied zum Kinderheim ist, dass ich kein Jugendamt im Nacken haben muss. Soviel zu den guten Gefühlen. Ich kläre gerade ab, ob ich nach 2 Monaten hier unterbreche, Sachen hier lasse, Richtung Alaska fahre und dann meine abgemachten 3 Monate fertig mache. Erst mal besuche ich meine Bekannten in Abbotsfort und Vancouver lockt mich. Gestern las ich den Führer wieder, und so vieles stieg bekannt in mir auf - wie ein zweites Hamburg. Ich hoffe, Ihr habt jetzt auch so richtig Sommer!

GRUPPENALLTAG: Verrückt, es ist schon ein richtiger Arbeitsalltag geworden hier. Jetzt weiß ich auch, was sie am ersten Tag meinten mit einarbeiten step by step. Ich kenne nun viele Abläufe und mache vieles allein. Es ist ein tolles Geben und Nehmen: ich scheue keine Arbeit, und mir wird jeder Wunsch von den Augen abgelesen. Heute war ich den ganzen Morgen mit 7 Frauen im Gewächshaus zwischen 100erten von Lavendel- und Rosmarinpflanzen, es roch berauschend. Ich habe verstärkt und gelobt, alle schafften wie die Wilden. Die Frauen sagen immer wieder, ich soll doch ganz hier bleiben. Wenn ich dann von meinen deutschen Freunden spreche, kommt die prompte Antwort:"Hol sie doch alle her."Beim schnelleren Sprechen kommt es auch schneller zu Verwechslungen. Alle brüllten bei meiner Aussage, die Toilette sei besetzt. Ich nahm statt busy oder occupied das Wort engaged. Das bedeutet verlobt. Ihr wundert Euch vielleicht, dass ich immer wieder Bilder einschiebe, ich schicke sie zuerst nach Kopenhagen, wo sie verkleinert werden, damit ich sie einsetzen kann. Wie gut, überall auf dem Erdball helfende Freunde zu haben. Morgen bin ich vormittags alleine boss (Bezeichnung für verantwortlich), mittags fahren wir mit 2 Autos an den Strand. Als mich heute die Kollegin fragte, ob ich nie müde werde, merkte ich, das ich auf die Ruhephase in Deutschland keine große Lust habe. Ich muss sehen wie ich diese weiterhin sinnvoll gestalte.