Meine dritte Woche in der anderen Welt
Es ist hier ein richtig gutes Miteinander. Morgen ziehe ich zwei Häuser weiter zu einer älteren Mitarbeiterin in ein Einzelzimmer. Die mussten mich eben auch erst persönlich kennenlernen. Ihr glaubt nicht wie anstrengend es ist, in einer Fremdsprache alles kennen zu lernen, zu kapieren und kleine Aufträge zu erledigen. Heute habe ich 50 ältere Bananen mit engl. Maßeinheiten zu Muffins verarbeitet. Es regnet jetzt auch hier seit Tagen nur. Heute habe ich wieder mal meine Ausnahmekopfschmerzen mit Übelkeit und gehe früher ins Bett. Sonst bin ich sehr zufrieden.

DONNERSTAG: Ich weiß gar nicht wie ich Euch die Athmosphäre von hier beschreiben soll: wie Kinderheim, Freizeitwochen mit der Gruppe oder am Starnberger See und Asissi zusammen. Es gibt schwierige Fälle hier, deshalb ganz enge Regeln für die Frauen. Ich kann mir meistens die Arbeit aussuchen oder werde freundlich gebeten. Mit max. 3 Frauen kann ich auch alleine was unternehmen. Das vertrauensvolle Miteinander ist schön. Viele geben sich Mühe, mir sprachlich zu helfen, weil es sich auch vom Oxfordenglisch oft unterscheidet. Ich habe mich entschieden vorerst nicht umzuziehen, möchte nicht isoliert sein, kann aber jeden Tag anders entscheiden. Eine Leiterin fragte mich beim Putzen wie es mir ginge und sagte dann: als sie las, dass ich so lang im Kinderheim war, wusste sie, dass ich mich hier zuhause fühlen würde. Eine echte Indianerin macht für mich z.B morgens Kaffee mit usw. So habe ich sicher erst mal mehr Chancen, in die Sprache reinzuwachsen, nicht zuletzt bei den täglichen Andachten. Ganz liebe Grüße an Euch alle zuhause und danke, dass Ihr an mich denkt und Euch mitfreut.

FREITAG: Bin ich froh, dass ich gerade kein Tourist bin, es regnet nur noch, wohl ganz typisch für hier. Ich lerne immer mehr kennen. Meine Anleiterin nahm mich gestern mal kurz mit nach USA zum Tanken. Die machen es so wie die Lindauer in Österreich. Zwei so Riesenländer vor der Haustüre, kaum zu fassen. Ähnlich wie die riesigen Hühnereier hier, z. T. mit 3 Dottern. Auch meine Verantwortung wächst, heute war ich schon mit 4 Frauen allein beim Morgenspaziergang, dabei wird immer fleißig gesprochen. Eine Frau verkriecht sich immer depressiv in ihrem Zimmer, ich konnte sie für ein Puzzle begeistern (1000 Teile mit Wölfen). Jetzt kann ich auch mal tun, was die Praktikanten im Heim immer durften. Heute Mittag machen wir einen Ausflug. Nun kümmere ich mich ein bisschen um das Unkraut im nassen Garten.
...Wer hat schon mal die Gelegenheit mit einer echten, älteren Indianerin Unkraut zu rupfen. Beim Vorstellen zeigte sie auf ihren Bauch und sagte:"Pat wie fat." Sie sprach mit jedem Vogel, Wurm, Käfer und dankte als die Sonne endlich kam. (Charis, Du wolltest mir die Indianer in Montana zeigen, nun habe ich sie selbst gefunden.) Dann machte sie für uns beide wieder Kaffe und wollte meine Freude hören. Sie zeigt mir vieles, was mir nicht auffallen würde.

Obwohl ich natürlich hier meine Grenzen merke, höre ich immer wieder den Satz:"Schön, dass Du da bist." Ich glaube, am Wochenende bekomme ich Besuch - neugierig?

SAMSTAG: Ein toller Sonnentag, 8 Stunden Gartenarbeit viele Begegnungen, neue Anfrage für Deutschstunden und viel Löwenzahn, der mich an geliebte Orte zuhause erinnerte. Die Frauen haben ihre Therapien, und ich therapiere mich selbst. So fern jeder Gewohnheit läuft das Kopfkino: 60 Jahre Leben, Sinn- und Glaubensfragen, Neuorientierung..
Durch das Führungszeugnis weiß man nun auch um meinen Geburtstag, und ich fühle mich doch total anders. Mir fiel wieder ein, dass ich mich mit 20 zum Sprachkurs nach USA als Angebot des Abendgymnasiums heimlich angemeldet hatte. Meine Mutter stornierte aus Angst alles. Nun darf ich es viel länger und intensiver erleben. Obwohl laufend neue Menschen kommen, bleibt es sehr familiär. Wenn mir mal aus Freude oder aus Ärger über ein fehlendes Wort eine Träne ins Auge rutscht, denkt jemand, ich hätte Heimweh und umarmt mich. An 4 Stellen wird jetzt mein blog gelesen, ein klick in google, und er steht in englisch da. Langsam plane ich an einer kürzeren Tour nach Calgary, bin ja auch noch Tourist. Gehe erst mal schlafen - Mitternacht!

SONNTAG: Es war ein schöner Gemeinschaftstag, mit ein bisschen Muskelkater von gestern. Ich lernte wieder 2 canadische Kirchen kennen, sehr lebendig, mit Tanzen, Fahnen schwingen, Klatschen und persönlicher Offenheit. Unsere neue tiefschwarze Frau bringt auch hier eine Stimmung rein wie im Film "Sister act."
Bild verweigerte sie heute erst mal

Gerade habe ich erstmalig spontan mit meiner nächsten Kollegin in deutsch gesprochen, bis sie mich in englisch darauf aufmerksam machte. Kann man sich nach 5 Tagen so zuhause fühlen? Ab morgen habe ich die größte Herausforderung: Ich werde noch mehr in die Küche eingeführt und habe dann viel Verantwortung für die ca. 16 Mahlzeiten. Lebensmittel, Zutaten, Rezepte, Gewohnheiten, alles in englisch. Aber ich vertraue wie bisher auch. Vielleicht gibt es jetzt aber eine kleine Schreibpause - bitte Geduld.