31. Mai 2014
Ich erlebe so viel Existenzielles, dass ich wieder mal schreiben muss. Nach einem tollen Kurzurlaub auf Amrum fuhr ich nahtlos zum Starnberger See. Das christliche Jugendwerk, bei dem ich seit über 40 Jahren sporadisch mithalf und auch für meine Heimtätigkeit mit geprägt wurde, feiert 50-jähriges Jubiläum - ca. 1000 Besucher, 3 Generationen in der Leitung, Begegnungen mit Bekannten aus D und Canada. Hier entstand für mich auch so manche lebenslange Freundschaft.
Die 1. Generation der canadischen Gründer wie gewohnt auf der Bühne zu hören war heimatlich, (vor Jahrzehnten träumte ich hier erstmals vom Reiseland Canada), doch wie hatten sich alle verändert, ich nicht ausgenommen. Dasselbe Gefühl nach 40 gelebten Jahren. Es war wie bei meinem Abschied im Kinderheim, die lange Zeit verschmolz zu einem Lebensmoment. Seit meiner Nordamerikareise ist die Welt viel kleiner geworden, und bei den altvertrauten Begegnungen hier wirkt das Leben schrecklich kurz. Je älter man wird, desto mehr Leute kennt man ja auch auf dem Friedhof.
Ohne Arbeitsverpflichtung lebe ich ja gerade ein außergewöhnliches Leben mit seinen unerschöpflichen Möglichkeiten und Begegnungen. Es vergeht alles noch schneller als im gewohnten Alltag, mich tröstet, dass ich glauben kann, dass es mit Gott ein Mehr gibt - jetzt und später. Am Sonntag bekomme ich einen offiziellen Patenenkel. Nachdem ich aufgrund meines Alters die Patenschaft beim Baby eines Patenkindes ablehnte, trat eine Situation ein, die andere Weichen stellte. Mein Leben wird also weiterhin zwischen den Extremen 0 und 100 verlaufen.
Fast hätte ich etwas vergessen: In meinem Zimmer hier bin ich mit einer mir fremden Frau. Sie sah meine Adresse und erzählte, dass ihre Schwester auch meinen sehr seltenen langen Vornamen hätte. Etwas später kamen wir auf mein Geburtsjahr. Verblüfft fragte sie nach dem Tag und brach in schallendes Gelächter aus. Wir sind genau gleich alt, geboren an einem Pfingstsonntag. Zufall oder ein kleines Wunder?
Abends sagte eine 99 1/2 jährige Nachbarin auf der Bühne ein Grußwort. Heute traf ich sie beim Schneiden ihrer langen Gartenhecke, fröhlich und munter. Alt werden kann doch schön sein!
3. Juni 2014
Opa Franz hatte eine kleine Kreislauschwäche und wollte den Bodenseeausflug auf Freitag verschieben. Also gab es zuerst einen Piccolo auf der Sonnenterrasse, dann zeigte er mir seinen regelmäßigen einstündigen Spazierweg, einschließlich der Grabstätte seiner Frau. Ständig wies er mich auf den Gesang der Vögel, Besonderheiten in den Gärten oder seine Lieblingsstellen in der Natur hin. Der Senior erzählte aus seinem Leben, stellte Fragen oder gab einen Witz zum besten. Bei Kaffe und Kuchen wurde leichte Musik von Franz Lehár, das Lied der Nachtigall, Heinzelmännchens Wachparade ... aufgelegt und Alben angeschaut. Heute gab es sogar einen kleinen Kräuterlikör mit der Bitte, dass ich im nahegelegenen Mövenpick mit ihm noch eine Suppe esse. Dazu zog er sich sonntäglich an und marschierte erneut los. Meine Bedenken, sein Sohn würde ihn beim eventuellen Besuch nicht finden, riefen die Reaktion hervor: "Dann hat er eben Pech gehabt!" Bei der Rückkehr steuerte er auf die Türe seiner Nachbarin zu, sein Tag war noch nicht zu Ende .......
hildewilske am 30. Mai 14
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