Gleich am nächsten Abend holte ich Opa Franz ins Kino ab. Er war schon in den Startlöchern und hatte Sorge, seine "junge Freundin" könnte ihn vergessen haben. Im Kino gibt es ein kleines Restaurant, in dem schon ein mit mir befreundetes Paar saß. Der Senior ließ sich Suppe und ein Viertele fröhlich schmecken, und wir vier hatten viel zu lachen. Beim Kartenkauf informierte ich erfolgreich das Personal. Opa Franz wurde besonders beachtet und unter dem Filmplakat "Der Hundertjährige" mit einer großen Freikarte fotografiert. Der Filmton wurde für ihn lauter gestellt, so dass die Musik dröhnte. Er genoss seine Rolle sichtlich, was auch das Leinwandchaos bei weitem übertrumpfte. Voll Energie nahm er uns noch mit in seine Wohnung, zeigte zufrieden beim Piccolo seine Werkstücke und bedankte sich beim Abschied nach 23 Uhr überschwänglich. Schade sei es, dass niemand mit ihm seine geliebte klassische Musik, Favorit Beethoven, genieße oder mal Schach spiele. Diese Lebendigkeit im hohen Alter scheint grenzenlos zu sein.
12. Mai 2014
Heute fuhr ich mit Opa Fanz zu Oma Klara, er war pünktlich reisefertig mit einem Sekt in der Tasche. Ich hatte alles für den Kaffee dabei und staunte, dass auch sie alles vorbereitet hatte. Es war hilfreich, dass ihre Nichte auch da war und gut Brücken bauen konnte. Die beiden Senioren waren erst auffallend still, bzw. etwas schüchtern, bis ich sie für das Foto eng nebeneinander setzte.
Dann ging ein reger Dialog los. Er: "Was machen sie, wenn sie hinfallen?"
Sie:"Aufstehen." Er: "Ich muss dann den Notdienst rufen." Sie: "Ich putze eine Wohnung noch auf den Knien." Dann ging es um die 3. Zähne, seit wann und wie gut, um die Hörgeräte, was man nachts träume, um die Krankenkasse, ums Einkaufen, um das sehr lange Leben usw. Er staunte wie fitt sie sei, lag jedoch mit seiner Offenheit vorne und will durch dieTageszeitung stets auf dem Laufenden sein. Ein neuer Termin für einen Sonnentag im Garten entstand schnell. Sie war überglücklich, dass ich den gewünschten roten, kleinen Kater gefunden habe, den ich mit den beiden Frauen im Juni abholen werde. Er wird Benno heißen wie die beiden letzten und darf mit ins Bett. Oma Klara zündet jeden Abend eine Kerze an, läßt sie nachts brennen und schenkte ihrem Altersgenossen gleich eine.
Der freute sich dann im Auto, dass ich heute noch mit ihm Beethoven hören wollte. Da kam ich ins Staunen, ich habe noch nie über eine Stunde schweigend Klassik gehört - bei Sekt, mit Blick über die Terrasse auf den weiten Horizont, vorbei an der wehenden Kanadaflagge, in voller Lautstärke auf einer Bose-Anlage. Toll, das war bestimmt nicht das letzte Mal. Leider läuft sein Sohn bei solcher Musik weg.
Opa Franz hatte begeistert meinen Roman aus Kanada gelesen und wünschte sich gleich den nächsten. Etwas melancholisch erzählte er noch, dass er schon mal lebenssatt sei. Vor dem Weggang aus Toronto sei er den Berg vom See zu seinem Cottage so schnell es ging hochgerannt, um an Herzversagen zu sterben. Der Arzt sagte ihm dann, welch ein Leiden das nach sich ziehen könne, da gab er diese Pläne auf. Im Juni will er mir am Bodensee seine Geburtsstätte zeigen. Nicht schlecht, dass ich jetzt Zeit für solche Abenteuer habe und mich dabei richtig jung fühle ....
hildewilske am 30. April 14
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