Als ich heute endgültig ging, kamen nicht nur mir die Tränen. Ein Leiter sagte zu mir, es sei wie wenn ich meine Familie verließe, und so fühle ich mich auch - nach wenigen Wochen. Ich glaube es selbst nicht. In den Abschiedskarten kam so viel rüber, was ich versucht habe weiterzugeben, während ich gleichzeitig die Beschenkte war. Morgen treffe ich nochmals die Bekannte hier, und am Freitag geht's erst mal 3 1/2 Tage ein Stück Richtung Deutschland nach Toronto.
Mein letzter ganzer Tag in V. war wie im Juli, jedoch mit leichtem Wind und früherer Dunkelheit. Wir liefen im Sonnenschein um den Stanleypark einen Bilderbuchweg an der Küste entlang. Diese Stadt ist an allen Ecken ein Traum, ich kann Euch endlich ein Bild zum Baumvergleich schicken. In USA im Redwood Forest gibt es noch dickere, die über 2000 Jahre alt sind, doch diese Tour war zeitlich nicht mehr drin. Jetzt muss ich den Rucksack für die Zugtage packen, der Koffer kommt in den Gepäckwagen.
15.September 2013
Nach 85 Stunden im Zug und 4500 km kam ich heute Morgen in Toronto an. Züge verhalten sich hier total anders als in D: maximal 80 km/h auf einfachen Schienen, oft sogar Schrittempo und Anhalten, um die endlosen Güterzüge vorbei zu lassen oder etwas umzukoppeln. Bei jeder Schranke wird oft gehupt, auch wenn jemand aus einem eisamen Haus winkt oder wenn wir wieder einsteigen sollten. Bei den wenigen Fahrgästen konnte ich mir eine kleine Wohnung einrichten - 4 Sitze ausgeklappt zum Liegen und gegenüber 2 zum Wachsein, besser hatte es keiner im Schlafwagen. Wer keine Zeit hat, fliegt auch im Inland schnell und billiger. Im Zug unterhält man sich, einer singt, ein anderer summt mit, ich wurde viel nach meinen Eindrücken gefragt und bekam wieder mal die passenden Ratschläge. Meine gute Reiseanleitung aus Kassel wurde bestaunt, und ein New Yorker gab mir noch Insidertipps. Mit seinen Eltern hatte ich so guten Kontakt im Speisewagen, dass sie mein Essen bezahlten und mich bei der nächsten Reise für eine Woche in ihr Haus am Meer in San Diego einluden - an der mexikanischen Grenze. Eine Frau brachte mir ein Glas Wein (mein erstes und letztes hier). Wir feierten Tanksgiving zusammen, das größte Familienfest nach Weihnachten in Nordamerika, mit dem traditionellen Truthahnessen. Jeder kannte das Bier vom Münchner Okoberfest, und ich lernte die Größenreihenfolge der Chinatowns hier: SF, Vancouver, NY, und dass der Goldrausch in Californien 50 Jahre früher als im Yukon herrschte. Beim Aufwachen sprang mir öfter ein vom Sonnen-aufgang beleuchteter See in die Augen, und in Ontario begann der Indian Summer, für den der Sommer leider zu trocken war. Die Weite war unermesslich, erst das fruchtbare British Columbia, als nur drittgrößte Provinz Canadas doch 4 mal so groß wie England, dann Alberta mit den herrlichen Rockies, Saskatchewan und Manitoba mit endlosen Kornfeldern und Ontario mit seinen 1000 Seen. Ich habe neu das Genießen gelernt.
In Toronto plante ich sinnvoll, damit ich kaum Zeit verliere und in NY nicht nachts ankomme. Die Traumlösung war anstrengend, aber herrlich. Nach zwei Stunden gings gleich mit dem Greyhound zu den Niagarafällen bei Sonne und über 20 Grad, ein Stück Himmel, schöner als im Sommerrummel.
Über Nacht fuhr dann der Bus nach NY, Ankunft 6.15. Die Stadt erwachte gerade im Lichtermeer, und nachdem ich zur Einstimmung 1 Std. den Broadway erlebte, hatte ich schnell die neue Währung, den Busplan (ich will oben sehen wo ich fahre) und das Hostel mit fast 700 Betten gefunden. Die Stadt pulsiert umwerfend, zum Glück kann ich mindestens bis Sonntag hier sein. Neben tausend Eindrücken für alle Sinne, fütterte einer im Kanalgitter neben mir 2 fette Ratten. Es ist alles da..., nun gehe ich auf Entdeckungstour, diesmal ohne Touristenbus.
hildewilske am 08. Oktober 13
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