Mittwoch, 21. August 2013
Besonderheiten im Alltag
Heute hatte ich an der amerikanischen Grenze erstmals länger Schwierigkeiten wegen einer Stunde einkaufen. Der Beamte hängte mir ein neues Visum bis November auf, mit Formularzirkus, allen Fingerabdrücken und Foto. Die US-Dollar-Gebühr hatte ich erstmal nicht in der Tasche, konnte es dann ausleihen. Man merkt den verstärkten Schutz seit den neuen Bedrohungen. Auch der Canader beim Rückweg war knochentrocken und blätterte alle leeren Seiten meines neuen Passes erstmal durch, während er Fangfragen stellte. Vielleicht sehe ich gerade etwas terroristisch aus, komisch.

Die Hitze ist wieder da, aber sehr angenehm auf die Mittagsstunden begrenzt. Manche von Euch jammern ein bisschen, dass es morgens nichts von mir zu lesen gibt. Da ich mich nicht wiederholen möchte, erzähle ich in der Zeit hier immer wieder kleine Kuriositäten. Ich weiß morgens ganz selten einen Traum, doch heute träumte ich deutlich von einem Menschen aus der Heimat. Ich traf den Heimleiter meines Kinderheimes (ja, Gerhard, Dich) beim Tanken. Total überrascht, vergaß ich zu fragen wie er nach Canada käme. Später dachte ich, es ist ja unmöglich, hier sein Privatauto zu haben. Wir haben uns also in D. getroffen, ob das wohl ein erstes Zeichen für Heimweh war?
Dann habe ganz schnell die Jugendherberge in San Francisco mit Skype gebucht. Es ist alles so einfach, die Welt passt in eine Hosentasche.

FREITAG: Gestern um Mitternacht war ein schwaches Erdbeben, die Betten haben wohl gewackelt. Ich habe tief geschlafen und war dafür ab 3 Uhr bis zum Morgen hellwach. In Vancouver Island hat vor wenigen Wochen die Erde mit Stärke 5,5 gebebt, keine Schäden, aber grenzwertig. Die Menschen leben hier ganz bewusst damit, bauen die Häuser besonders gesichert und rüsten z. B. die Fundamente alter Kirchen nach.
Meine Tage hier sind abwechslungsreich schön und wie so vieles in diesem Land unberechenbar. Ich könnte jeden Tag Mais aus unserem eigenen Anbau essen, hoffentlich werde ich nicht dicker.

Das war wieder ein Tag! Morgens brachte ich noch aufgelaufene Arbeiten gut zu Ende, dann wurde ich von einem deutschen Ehepaar abgeholt. Es sind Freunde von meinen Freunden aus FN, die ca. 50 Jahre hier leben. Es war wie ich es hier oft erlebe, sich bisher Fremde haben sehr schnell eine vertraute Nähe. Auf einen sonnigen Spaziergang am Pazific folgten viele Stunden im gemütlichen Haus mit Gutem für Leib und Seele. Es war auch wieder mal schön, länger deutsch zu sprechen. Ich bekam wertvolle Informationen über die Ureinwohner, Lebensweisen, Entwicklungen und wurde in vielen Wahrnehmungen bestätigt. Wir konnten natürlich unsere Heimatkultur mit der canadischen sehr gut vergleichen. Als ich spät heim kam, war die Hintertür offen und auf meinem Bett lag ein lieber Gruß. Da kann man sich nur wohl fühlen.

Dass ich hier nur noch 2 Wochen mitarbeiten kann, will ich gar nicht glauben. Ich habe so viel Neues ausprobiert, dass jeder Tag wie im Flug verging. In der Küche habe ich jetzt viel Spaß mit der Asiatin, die ich anlerne. Ja, ich bin schon eine Stufe weiter und werde sehr oft gefragt, weil man meine Ordnung und Zuverlässigkeit schätzt. Gestern fand ich einen wichtigen Pass, einen Geldbeutel und vor kurzem den teuersten Autoschlüssel des Hauses im Blumenbeet. Hoffentlich können die Mitarbeiter zur Erleichterung einiges aus unseren gemeinsamen Erfahrungen umsetzen. Ich nehme so viele innere Schätze mit und möchte nicht nur die sichtbaren Dinge meine Arbeit zurücklassen. Zurück zur Küche: Die total nette Koreanerin und ich sind sprachlich wie einer mit gebrochenem Arm und einer mit Beinbruch. Wir ergänzen uns mit unserem Wortschatz, oft hat jeder genau die andere Hälfte. Da lachen alle herzlich mit, und ich muss manches Missverständnis praktisch vormachen. Ich hätte nie gedacht, dass mein neues Hobby Muffinbacken heißt. Gestern stach ich Unkraut aus, während hinter mir gleichzeitig ein Maulwurfhügel entstand und sich bewegte. Am nächsten Baum jagten sich 2 Eichhörnchen in grau und schwarz rund um den Stamm wegen einer Haselnuss. Im Baum unterhielten sich 2 bluebirds; größere, wunderschöne, mir unbekannte Vögel. Die Natur hier ist einfach toll.



Am Sonntag war ich mal melancholisch und grübelte wie ich mir mein Leben in D. einrichten werde. Abends kam dann ein Regenbogen über unser Gelände wie ich ihn vor meinem Flug in Wilhelmsdorf sah, allerdings ohne einen Regentropfen. Das möchte ich wie damals als gute Verheißung sehen.