Der Sonntag zeigte sich von seiner besten Seite. In meiner ersten Jugendherberge bekam ich mein früheres Zimmer und teile es wieder mit einer Studentin aus der Nähe von Kopenhagen. Meine beiden Bekannten aus der Kirche vor 9 Wochen freuten sich auch über ein Wiedersehen, die eine traf ich an einer Ampel, die andere gleich danach. Sie sagte mir, mein English sei schneller und besser, das war wie Schlagsahne. Ich bin da ziemlich unzufrieden mit mir und nehme mir keine Zeit für neue Vokabeln. Die Stadt wimmelt von Touristen, da hatte ich es im Mai toll bei meinen Rundgängen. Das Zentrum ist unterhöhlt von Einkaufsmeilen, und ich treffe 3 Bekannte wie im Schlaf, die Frau von gestern mitgerechnet. Heute bekam ich eine mail aus Schottland, auf meine Anfrage im Internet als Granny-au-pair in Großbritannien. Eine Engländerin mit deutschem Mann und 4 kleinen Kindern möchte, dass die Kinder durch mich besser deutsch lernen. Sie schreibt von einer schönen Insel mit tollen Badestränden. Die Zeit kann ich frei wählen. Ich glaube, mein Leben wird jetzt richtig interessant bleiben. So, nun gehe früh ins Bett, denn das nächste werde ich erst in 3 Tagen sehen.
WAHNSINN ! Ich sitze im sehr comfortablen, klimatisierten Bus Richtung Norden und habe die ersten 12 Stunden Internet. Inzwischen kommt nur noch grüne Landschaft durchs Fenster, ein bisschen wie in der Schweiz. Ich muss jetzt gut nach meinem ersten Bären suchen. Im Bus fand ich noch niemand, der so oft umsteigt und so weit fährt. Gerade läuft der große, grüne Fraser-Fluß vorbei. Kann die Welt immer so schön bleiben??
So, bevor ich jetzt für 12 Std. in den 4. Bus nach Whitehorse steige, ganz liebe Grüße aus einem Café in der Pampa. Ich komme mir viel weitgereister als mit dem Flieger vor, es sind richtige Linienbusse, fast wie mit dem Fahrrad. Genauso wie ich es wollte, supergemütlich, leider kein Bär, nur ein Riesenrehbock. Der erste Fahrer fuhr gleich 13 Stunden, von wegen Tachoscheibe. Es war ganz lange wie in der Schweiz, dann kam Steppe und endloser Wald, immer mit vielen Seen und Flüssen. Komisch, es wurde noch nicht kälter, aber schön einsam. Auf dem Alaska-Highway sieht man oft lange kein Auto, aber jeder Bus und Laster wird vom Fahrer mit Handzeichen begrüßt.
Diese Straße wurde unter extremen Bedingungen 1941 zur Verteidigung gegen die Japaner in 8 Monaten gebaut, 2400 km lang, was natürlich auch hier an Hitler erinnert. Gerade habe ich ein Geburtstagsgeschenk gefunden, das wird ein Volltreffer. Circa 10 Leute fahren mit mir jetzt weiter, nun muss ich einsteigen und aufpassen, dass ich nicht im Stehen einschlafe.
Das war vielleicht nochmals eine tolle Tour, bin ich froh, dass ich da Kreuzfahrtschiff und den Flieger verschmäht habe. In der Abendstimmung ging es wieder westlich in die Rockies. Der Fahrer fuhr wieder über 13 Std. allein, fröhlich, auch mal rückwärts zum Beobachten der Tiere. Liebe Hanne, und was fand ich gleich am Straßenrand? Diese Elchkuh konntest Du nicht in Schweden finden, weil sie weiß, dass das Gras hier besser schmeckt.
Kurz darauf graste eine Herde dieser Riesen friedlich am Seitenrand, ich sah bestimmt über 100.
Und dann - 2 Schwarzbären, die leider für meinen Foto zu schnell waren. Hier werde ich nie aussteigen, keine Sorge. Jetzt fehlen mir nur noch echte Grizzlies und Wölfe zum Glück. Ein 10-jähriger Junge war mit mir auf beiden Seiten des fast leeren Busses auf Fotojagd. Ein netter Kerl mit seinem Opa, der behauptete an meinem Englischakzent zu hören, dass ich aus D. komme. Ich hatte ganz vergessen, dass hier die weißen Nächte beginnen, toll. Nach einem farbenfrohen Sonnenuntergang blieb bis nach Mitternacht ein grün-bläulicher Himmel zum Lesen. Um 4.15 morgens kamen wir in Whitehorse an, sieht im Dunkeln wie im wilden Westen aus. Jetzt sitze ich in einem Tim Horton-Cafe, bevor ich mir in der Jugendherberge ein Bett suche, meinen Koffer und mich dusche, schlafe, den Ort erdkunde und weitere Planungen mache. (Der Koffer sieht aus wie nach einer Wüstenwanderung, so hat es in den Gepäckraum des Busses gestaubt.)
Laut meinem Plan habe ich von Vancouver aus 2.600 km zurückgelegt, am Ende werden es 4.400 an meinem Bergziel sein. Sicher werde ich später keine Entfernung mehr weit empfinden.
Jetzt muss ich einfach eine kleine Geschichte schreiben........
hildewilske am 28. Juli 13
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