Montag, 17. Juni 2013
Verstehen und verstanden werden
Das eine ist die Sprache, wenn bei der schnelleren Kommunikation die Grammatik verknotet oder Worte verdrehen. Wenn sie hier nach Worten für mich suchen, haben wir viel zu lachen. Das andere ist die Mentalität. Weil ich die Indianerin nicht gleich ernst nahm, war sie so sauer, dass ich eine Vermittlerin und 2 Tränen brauchte, bis sie mir verzieh. Solche Krisen verbinden aber noch mehr. Heute machte sie mir im Auto ein tolles Angebot, auf meinen einzigen Koffer bezogen:"Wenn dir deine Unterwäsche nicht reicht, zerschneide ich meine und nähe sie enger." Dann folgte 3 Minuten ihr herzhaftes Lachen. Später legte sie meine Sachen vom Trockner zusammen und schrieb einen tollen Zettel. Ob sie wohl nachgezählt hat. :-) Ich werde auch öfter auf den 2. Weltkrieg angesprochen, nicht vorwurfsvoll, aber betroffen. Ganz andere Verhaltensweisen zeigen sich in diesem Land beim Essen. Die Lebensmittel selbst, die Mengen und dann das Essverhalten, was Kaffee to go auf vieles übertragen bedeutet, ist sehr gewöhnungsbedürftig. Aber das muss ich Euch in life erzählen. Viele Schlösser, Schalter und Geräte werden genau andersrum bedient und das pro Haus oft auch noch verschieden. Ich habe immer noch Bedenken, eine Toilette abzuschließen, ob ich sie von innen wieder öffnen kann. Die meisten arbeiten in meinem Werk hier für ein Taschengeld. Da bin ich mit meinem deutschen Gehalt gut dran, aber ausgeben kann ich im Grünen auch nicht viel. Um die Ecke in der USA ist der wunderschöne Mount Baker. Der Schnee liegt das ganze Jahr fast bis zur Talstation und leuchtet gegen den blauen Himmel und die Frontscheibe beim Fahren. Heute bekam ich ca. 10 wichtige Schlüssel ausgehändigt, ich hätte die nötigen jeweils lieber weiterhin ausgeliehen. Das Vertrauen erstaunt mich immer wieder. Ein Gottesdienst in einer schwarzen Gemeinde hat mir fast die Schuhe ausgezogen, so lebhaft ging es zu. Manche von euch schreiben, dass sie bei mir gerne Mäuschen spielen würden. Ich bin eigentlich wie zuhause, nur klingt es etwas anders. Unser Küchenteam ist eine Supertruppe geworden. Die anderen sprechen schnell, und ich bin beim Arbeiten die Schnellste. Gestern sagte die Kollegin: What would I do without you? Das hat mich so motiviert, dass mir der amerikanische Wunschgeburtstagskuchen prima gelang. Nun habe ich die Tour Richtung Alaska in den ersten beiden Augustwochen dazwischen geschoben, denn hier ist es ca. 10 Grad kälter als in D, aber wenn ich Eure Temperaturen lese, bin ich dankbar.
!!! Es gibt wohl keinen Punkt auf der Welt, an dem man seine Identität verliert. Jetzt werde ich auch hier öfter "Mutter Theresa" genannt - schon wieder Wilhelmsdorf.... Den besten Internetempfang habe ich übrigens in unserer Toilette, jetzt wisst Ihr auch, wo ich gerade sitze. :-) Ob ich wohl als Tourist mit einem anonymen Leben wieder zufrieden sein kann?

DONNERSTAG: Nun läuft schon meine vierte Woche in diesem Gelände, und es gibt immer wieder interessante, neue Herausforderungen. Ich mochte noch nie Muffins, heute sollte ich mal welche aus cornmeal backen. Die schmecken ganz toll, damit verwöhne auch Euch später. Auch Popcorn ist hier viel besser, mit Butter und einem speziellen Salz. Ich werde Kleider wegwerfen müssen, um Platz für Lebensmittel im Koffer zu haben. Man kaut hier immer und überall Kaugummi, das will ich nicht übernehmen. Heute war Außendienst dran, zum Zahnarzt fahren und heute Abend zur Erdbeerparty. Die Gemeinde eine halbe Fahrstunde entfernt hatte zum Frauenabend eingeladen. Ich konnte allein mit 6 Frauen und dem Therapiehund, der die eine immer begleiten muss, losfahren, weil der Abend organisiert war. Liebe Buntspechte, ich fühlte mich wie bei unseren Busfahrten, die ich so vermisse. Alle riefen durcheinander, sangen, wollten mir was erzählen, genau wie du, Marcell. Die Rückfahrt im Dunkeln bei Regen mit den ungewohnten Straßenmarkierungen war nicht so einfach. Auf den Landstraßen gibt es kaum Wegweiser, alles ist in Vierecke eingeteilt, man orientiert sich an den Straßennummern - so wie New York auf der Karte aussieht, eigentlich viel übersichtlicher als in D. Hier wurde die Natur wenig verändert, deshalb geht es ständig rauf und runter, sehr schön.